Mix aus Historie und Fiktion:Königlich bayerischer Blutsauger

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Die "Münchner Volkssängerbühne" zeigt im Kleinen Theater Haar ihre neue Komödie "Ludwig 2.0 Reloaded". Darin ist der Kini ein schwuler Vampir, der gerne junge Stallburschen auszuzelt

Von UDO WATTER

Der König ist nachtaktiv. Wenn man im Bayernland den Angstschrei eines jungen Mannes hört, dann macht er Brotzeit. Manchmal speist er zu später Stunde im blauen Salon, gerne zuzelt er die Objekte seines Appetits aus wie eine Weißwurscht und will hinterher noch mit den Essensresten spielen. "Ist unser Kini deppert worden?" fragt eine unbedarfte Bauersfrau, als sie erfährt, dass Dr. Bernhard von Gudden, seines Zeichens Facharzt für "Idioten, Schwachsinnige und Kretins", auf dem Weg zu Ludwig II. ist. Nein, deppert ist er nicht geworden, der Ludwig, aber dass so viele junge Burschen in der Nacht verschwinden, das hat mit seinem Blutdurst zu tun: Der Märchenkönig ist ein Vampir - und Gudden ein Vampirjäger mit der Mission, ihm auf die Spur zu kommen und Bayern vor dem Wahnsinn zu retten.

"Ludwig 2.0 Reloaded" heißt das neue Stück der Münchner Volkssängerbühne, geschrieben hat es Roland Beier, der auch, zusammen mit Hanna Timm, Regie führt. Gespielt wird im Kleinen Theater Haar, dem Stammhaus des Ensembles. Beier, der so etwas wie der Spiritus Rector der Volkssängerbühne ist, bedeutet diese "königlich-bayerische Vampirkomödie" viel: "Ich mag alle meine Stücke" sagt er, "aber das wird wohl eines meiner liebsten". Viel Zeit, viel Recherche, viel kreative Energie hat er investiert, um aus diesem urbayerischen Stoff ein Bühnenwerk zu schaffen, das Historisches und Fiktion lustvoll-skurril miteinander verknüpft.

Wer in Ludwig den ewigen Mythos sieht, den Untoten der bayerischen Geschichte ("Er ist ja eigentlich nie gestorben"), für den liegt die Idee nahe, aus ihm einen (schwulen) Vampir zu machen, zumal der Kini im Lauf seines Lebens immer menschenscheuer und nachtaktiver wurde. Überdies ließ sich Beier, der generell zu schrägen und leicht g'spinnerten Geschichten neigt, von der Vorstellung inspirieren, dass Otto, der geisteskranke Bruder Ludwigs, dem Wahnsinn verfiel, als er den König zufällig dabei beobachtete, wie der sich mit seinen Beißerchen über einen nackten Jüngling hermachte.

So durchgeknallt der hier angedeutete Plot klingt, so groß ist die Spielfreude der Protagonisten, ihn auf der Bühne angemessen umzusetzen. Die meisten Figuren sind historisch, unter anderem Cosima Wagner (Bärbel Beier) als eine von drei Vampirbräuten, Ministerpräsident Johann von Lutz (Sven Vollberg) als Intrigant oder Kaiserin Sisi, die in Person von Simone Krist am Ende einen fulminanten Auftritt hinlegt. Eine fiktive Bauersfamilie spielt ebenfalls eine wichtige Rolle, Sohn und Tochter werden in mehr oder weniger erotische Spielchen verwickelt, Vater und Mutter verkörpern erdiges Bayerntum, das sich in Dialogen widerspiegelt wie diesem: Er, mit sichtlicher Abscheu eine Schüssel auslöffelnd: "Des Essen schmeckt so, wie du ausschaugst." Sie, ganz cool: "Gfreit mi, dass' dir schmeckt."

Ja, natürlich lebt die Inszenierung auch vom Klamauk, es gibt Derbes, Anzügliches und Bizarres: So hat etwa Roland Beier eine kleine Rolle als Hofschauspieler Josef Kainz, der von Ludwig zum Hündchen degradiert und an die Leine gelegt wird. Die Liebesnacht zwischen dem von Sebastian Beier dargestellten Bauernsohn und dem König wird in frivoler Reitmetaphorik geschildert, der verrückte Otto hat mit langer roter Perücke immer wieder schillernde Kurzauftritte - Max Endres spielt ihn mit sichtlichem Genuss.

Die eigentlichen Hauptdarsteller aber sind Benedikt Stetter als Ludwig mit weiß geschminktem Gesicht und Wuschelhaar, der in seinem Part zwischen schön kindischer Affektiertheit und brünstiger Eleganz changiert, und Helmut Achmüller, der als vornehmer Vampirjäger überzeugt. Gudden, der im wirklichen Leben auch Direktor der Oberbayerischen Kreisirrenanstalt München war, aus der später die Klinik in Haar hervorging, hat im Stück einen Assistenten Doktor Müller zur Seite. Gespielt von Franz Rinberger wird der, überall wo er auftaucht, zum Objekt erotischer Begierde, Szenen, in denen Rinberger als gar nicht heldenhafter Müller komödiantisches Talent beweisen muss.

Bei der Generalprobe im Kleinen Theater Haar klappt zwar noch nicht alles perfekt, die schauspielerischen Leistungen sind vom Niveau her unterschiedlich, aber als königlich-bayerische Gaudi mit historischen Anspielungen und respektlos-durchgeknallten Einfällen funktioniert das Stück in jedem Fall. Schöne Kostüme und stimmungsvolle Bühnenbilder tun ein Übriges, um die Vorstellung sehenswert zu machen. Manches mag man vielleicht arg klamaukig finden, aber das Stück, das nicht zuletzt vom Film "Tanz der Vampire" inspiriert ist, lebt auch von (meist) witzigen Wortspielen und zeichnet sich durch eine dramaturgisch ansprechende Handlung aus. Soll man das also alles ernst nehmen? Natürlich nicht! Und auf die Frage, ob er einem Königstreuen das Stück empfehlen würde, sagt Beier: nur denen, die entsprechenden Humor hätten. Später revidiert er: "Nein, ich glaube, selbst denen mit Humor würde ich es nicht empfehlen." Und dann lacht er.

"Ludwig 2.0 Reloaded" der "Münchner Volkssängerbühne" im Kleinen Theater Haar: gespielt wird freitags und samstags, 1./2. und 8./9. Februar, am Sonntag, 10. Februar, dann wieder freitags und samstags 15./16. sowie 22. Frebruar. Beginn ist um 20 Uhr, nur sonntags um 14 Uhr.

© SZ vom 31.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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