Mitten in Zorneding:Urnengang ganz ohne Zwang

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Zu welchem Zeitpunkt ist der Magen optimal für ein Abendkonzert vorbereitet? In Zorneding darf das Publikum nun selbst entscheiden

Kolumne von Anja Blum

Verlangt der klassische Musikgenuss jene Aufmerksamkeit, die nur das leicht-luftige Gefühl eines leeren Magens ermöglicht? Oder ist es besser, sich gut satt in den Konzertsaal zu begeben, auf dass sich ganz sicher kein leises Grummeln ins Pianissimo schleicht? Oder, noch schlimmer, man am Ende in Versuchung gerät, verschämt-knisternd ein Bonbon auszupacken, um zumindest den schlimmsten Hunger zu überbrücken? Um Überlegungen wie diese mag sich die Diskussion gedreht haben, die der Kulturverein Zorneding-Baldham angestoßen hat mit der Entscheidung, in der neuen Saison den Beginn seiner Kammermusikveranstaltungen etwas nach hinten zu verschieben, von 18 auf 19 Uhr nämlich.

Jedenfalls gab es offenbar unterschiedliche Meinungen, wie so ein Sonntagabend in Zorneding zeitlich optimal zu gestalten ist: Abendessen vor dem Konzert und dann früh ins Bett? Oder lieber erst Kammermusik und dann schnell ab zum Italiener? Lediglich fünf Kammermusikabende hat es gedauert, nun reagierte der Verein auf diese existenzielle Unsicherheit: Man nutzte flugs den jüngsten Trioabend, um abstimmen zu lassen. Die Betroffenen, das geneigte Klassikpublikum also, waren da schließlich zahlreich im Martinstadl versammelt. Jeder im Publikum durfte auf einem Wahlzettel die von ihm persönlich erwünschte Uhrzeit ankreuzen. Und wie bei einer echten Wahl musste der Zettel zusammengefaltet in eine "Urne" geworfen werden. Das Ergebnis der Abstimmung werde demnächst mitgeteilt, hieß es.

Da sage noch einer, der Klassikbetrieb sei so elitär! Dieser Vorgang ist doch Demokratie pur. Nicht der Künstler oder der Veranstalter entscheidet hier, wann es los gehen soll, sondern die Mehrheit, die sonst nur schweigend applaudierende Masse hat das letzte Wort. Für den Kulturverein bringt dies auch einen entscheidenden Vorteil: Er ist in keinem Fall mehr verantwortlich, weder für essenschwere Müdigkeit noch für grummelnde Mägen. Ihr habt es so gewollt!

© SZ vom 12.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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