Mitten in Zorneding:Tarantula auf Abwegen

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Leer und bodenlos: die rätselhafte Kiste aus der Bahnhofsstraße. (Foto: Polizei)

Eine Holzkiste lässt auf gefährlichen Inhalt schließen, doch die Polizei gibt Entwarnung. Ein paar Zweifel bleiben freilich: Was, wenn der Bewohner einfach getürmt ist?

Von Rita Baedeker

Auf Flughäfen und Bahnhöfen wird der Reisende in regelmäßigen Abständen davor gewarnt, sein Gepäck unbeaufsichtigt herumstehen zu lassen; herrenlose Koffer, so heißt es, seien zu melden. Könnte ja eine Bombe drin sein, eine schwarze Mamba oder - Allzweckwaffe jener Zeitgenossen, denen es vor gar nichts graust - eine Vogelspinne. Für Aufregung sorgte daher jetzt auch eine 30 mal 30 Zentimeter große Holzkiste, die unlängst in der Oberen Bahnhofsstraße in Zorneding gefunden wurde. Ein Spaziergänger, der Warnungen eingedenk, verständigte die Polizeiinspektion Poing. Das Besondere an dem Gepäckstück: Die Aufschrift "Achtung lebende Tiere" sowie das Bild einer handtellergroßen Spinne führten dazu, dass sogar die Beamten, in ihrem beruflichen Alltag an Ekelpakete aller Art gewöhnt, ins Schwitzen gerieten. Nach vorsichtiger Annäherung an die brisante Fundsache stellten sie allerdings erleichtert fest, dass die Kiste keinen Boden hatte und sich eine Festnahme erübrigte, es sich, so ihre Interpretation, um einen Scherz handelte.

Die Polizei sollte es eigentlich besser wissen. Schon mal was von geglückten Ausbruchsversuchen gehört? Dass die Kiste, als sie gefunden wurde, keinen Boden (mehr) hatte, und keine Spinne drin saß, heißt ja nicht, dass nie eine drin gewesen ist. Was, wenn das Tier bei seiner Flucht ins Freie Helfershelfer hatte? Und die Gefangene nun nach Herzenslust in Zorneding herumkrabbelt auf der Suche nach Nahrung, Wärme und Unterschlupf? Was, wenn Tarantula längst in irgendeinem Schrebergärtchen untergetaucht ist, um ihre Beißklauen in arglose Opfer zu schlagen?

Ihren Namen soll die Vogelspinne der Naturforscherin Maria Sibylla Merian verdanken. Diese reiste 1705 nach Surinam und beobachtete dort, wie eine große Spinne einen Kolibri verspeiste. Dass Vogelspinnen Vögel fressen, sei aber Legende, sagen Arachnologen. Höchste Alarmstufe gilt jedoch für Grillen, Schaben, Heuschrecken, Mäuse - und die Zaun-Eidechsen, die diesseits und jenseits der Bahnlinie leben. Zornedinger Bürgern mit Spinnenangst ist zu empfehlen, Horrorfilme wie "Arachnophobia" zu meiden, Fenster und Türen geschlossen zu halten sowie auf gar keinen Fall Berichte über frei laufende Vogelspinnen in ihrer Umgebung zu lesen.

© SZ vom 22.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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