Mitten in Zorneding:Die lange Bank

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Aus Verzweiflung über die Situation am Bahnhof hat ein Zornedinger ein Gedicht geschrieben

Von Carolin Fries

Es sind nicht selten große Emotionen, die die Menschen veranlassen, ein Gedicht zu schreiben. Liebe, Sehnsucht, Begierde - was für herrliche Zeilen haben uns diese Gefühle beschert. Nicht zu vergessen die Verzweiflung. Solche trieb nun auch Karl-Heinz Bauer vom Verein "Das Alter erleben in Zorneding" zur Veröffentlichung eines Gedichts. Auf der Internetseite www.tagebuch-eines-schandflecks" hat er es notiert und denen gewidmet "die noch gut zu Fuß sind". Der Zornedinger Bahnhof ist seit Jahren schon nurmehr eine Station, die den Namen Bahnhof gar nicht verdient. Ein Bretterverschlag und eine Neonröhre sorgen provisorisch dafür, dass die Fahrgäste nicht ins nasse Dunkel stolpern, wenn sie zum Bahnsteig wollen. Wer keine Treppen gehen kann, muss einen Umweg über Rampen nehmen.

Die Träume der Zornedinger ranken sich freilich um einen richtigen Bahnhof. Mit Kiosk, mit Toiletten, mit Aufzug, mit einem schattigen Plätzchen. Karl-Heinz Bauer definiert seinen Traum ganz unspektakulär: "'nen Bahnhof zu benutzen in gesunden und kranken Tagen, mit Rolli, mit Krücken und mit Kinderwagen." Doch ganz gleich, an was sich die Zornedinger in den vergangenen Jahren geklammert haben - es wurde "auf die lange Bank geschoben", wie Bauer schreibt. Ob es der Service-Store war, die Toiletten, oder der Bypass zur Rampe - nichts dergleichen gibt es bis heute.

Karl-Heinz Bauer erdreistet sich nun, einen neuen Wunsch zu äußern. "Neulich hab'n sich drei Seniorinnen die Treppe rauf gequält. Sie gingen an Krücken - eine Bank hat gefehlt. Eine Bank nach der Treppe, die fänden sie toll, um zu warten aufs Taxi, das sie abholen soll." Die Vergangenheit hat den Zornedinger gelehrt, die Hoffnung klein zu halten: "Doch die Aufstellung einer Bank an der Treppe oben, wird ganz sicher auf die lange Bank geschoben." An die Bahn jedenfalls glaubt Bauer nicht. Sein Gedicht endet mit der Frage: "Oder gibt's etwa Leut', die schon lange denken, sie hätten eine alte Bank zu verschenken?" Einen möglichen Standort hat er auf einer beigefügten Skizze eingezeichnet - ganz ohne Poesie.

© SZ vom 27.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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