Mitten in Vaterstetten:Schlecht bedacht

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Eine Vorgabe für Photovoltaikanlagen auf Vaterstettener Häusern taugt in der Praxis nicht viel - sie ist aber ein Lehrstück anderer Art

Kolumne von Wieland Bögel

Wörter, die je nach Zusammenhang ganz unterschiedliche Bedeutungen haben, sind Ausgangspunkt so mancher Witze und der Schrecken all jener, die eine neue Sprache lernen wollen. Legendär ist hier etwa die Formulierung "etwas umfahren", was entweder bedeutet, etwas wurde unfallfrei umkurvt - oder genau das Gegenteil. Eine Vielzahl von Bedeutungen hat auch das Wort "bedacht": Es ist die Vergangenheitsform von bedenken, was wiederum "über etwas nachdenken", aber auch "mit etwas versehen" bedeuten kann. Ein mit einem Dach versehenes Haus gilt sogar in doppelter Hinsicht als bedacht, eine Tätigkeit, die hoffentlich mit Bedacht, also mit Sorgfalt, ausgeführt wurde. Dass man alle diese Bedeutungen des Wortes Bedacht, beziehungsweise bedacht, in einem einzigen Satz sinnvoll gebrauchen kann, zeigte sich nun im Vaterstettener Umweltausschuss.

Thema war der geplante Ausbau der Solarenergie im neuen Wohngebiet Nordwest. Auf den dortigen Dächern hat die Gemeinde Fotovoltaikanlagen vorgeschrieben, was in den allermeisten Fällen auch befolgt wird - mit einer Ausnahme: den Reihenhäusern im Einheimischenbaugebiet. Allerdings nicht aufgrund des Unwillens der Bauherren, sondern wegen Vorgaben der Bayerischen Bauordnung. Diese sieht bei Solaranlagen aus Brandschutzgründen einen Mindestabstand zum Nachbarhaus von 125 Zentimeter vor. Damit sind also pro Dach zweieinhalb Meter nicht für Fotovoltaik geeignet - wenn dann auch noch Dachfenster, Kamine und Antennen einen Platz finden sollen, dürfte die Ausbeute an Sonnenstrom so schmal ausfallen wie der Streifen, der für das Aufstellen der Solarzellen bleibt. Für die Umwelt sicher ein Verlust - für Verfasser von Deutschbüchern dagegen ein Gewinn, sie können folgenden Beispielsatz über die wechselnde Bedeutung von Wörtern aufnehmen: Hätte man mit mehr Bedacht die Vorschriften bedacht, wäre klar geworden, dass die neuen Häuser, nachdem sie bedacht wurden, nicht auch noch mit Solaranlagen bedacht werden können.

© SZ vom 17.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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