Mitten in Vaterstetten:(K)eine Frage der Technik

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Moderne Technik macht den Verkehr gleichzeitig sicherer und gefährlicher. Mit manchen Risiken hingegen rechnet man heutzutage nicht mehr

Kolumne Von Wieland Bögel

Ob der Fortschritt nun schädlich oder nützlich sei, wurde bisher noch nicht abschließend entschieden, hängt aber wohl auch ein bisschen vom Betrachter ab. Während pessimistische Charaktere zu Ersterem neigen und Optimisten zu Letzterem, findet sich der Realist irgendwo dazwischen - und Belege für seine Ansicht im Straßenverkehr. Der ist durch den technischen Fortschritt - Airbags, Sicherheitsgurte, verbesserte Bremsen, Alarmsensoren und vieles mehr - so sicher geworden wie nie. Einerseits. Andererseits macht die Technik diesen Gewinn an Sicherheit gleich wieder selbst zunichte, wie ein Beispiel aus einer beliebigen Straße in Vaterstetten - es könnte auch überall anders sein - zeigt.

Beim Einbiegen in eine doch eher ruhige Nebenstraße zeigt sich der Vorteil moderner Bremssysteme. Unverzüglich und nahezu quietschfrei kommt der Wagen zum Stehen - was allerdings nur nötig ist, weil ein anderes Stück Technik für Risiko sorgt: das Telefon in der Hand des aufmerksam kommunizierenden, aber um so unaufmerksamer auf die Straße springenden Fußgängers. Einige Meter weiter ist dann die Präzisionslenkung gefragt, wie anders könnte man der wild im Zickzack vor einem herumkurvenden Radlerin ausweichen. Der wirre Fahrstil erklärt sich mit dem technischen Gerät, das sie vor sich hält. Vermutlich muss sie gerade wichtige Nachrichten schreiben, was aber offenbar - erkennbar an den langen Kabeln Richtung Radfahrerinnenohren - am besten gelingt, wenn dabei laute Musik gespielt wird, was einen im Übrigen die Idee des Einsatzes der ebenfalls sicher sehr modernen Hupe gleich wieder verwerfen lässt.

Für die weiteren Besorgungen steigt man dann doch lieber auf ein langsameres, weniger technisiertes Verkehrsmittel um, sicher ist sicher. Radelnd ist den Technik-Zombies doch noch eher auszuweichen, und wenn nicht, fällt der Schaden wenigstens nicht so groß aus. Und da ist auch schon einer, schlafwandlerisch tritt der junge Mann zwischen den geparkten Autos auf die Straße, den Blick gebannt auf etwas in seiner Hand geheftet, auf das im Vorbeiradeln ein ungläubiger Blick fällt - es ist doch tatsächlich ein Buch.

© SZ vom 06.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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