Mitten in Vaterstetten:Ich glotz' TV

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Entscheidungen für die Gemeinde treffen? Schon nicht ganz unwichtig. Doch manchmal werden eben doch ganz andere Prioritäten gesetzt

Von Wieland Bögel

Wer bestimmt eigentlich die Tagesordnung eines Gemeinderates? Für Kenner der Bayerischen Gemeindeordnung ist das höchstens die 50-Euro-Frage, natürlich der Erste Bürgermeister. Aber - auch wenn das nicht explizit in den Vorschriften steht - gilt der Zusatz: "Es sei denn, es kommt was im Fernsehen." In die legislative Praxis umgesetzt sehen konnte man diesen kaum bekannten Verordnungs-Annex nun in Vaterstetten.

Dort begann am Donnerstag die öffentliche Gemeinderatssitzung wegen vorangegangener nichtöffentlicher Beratung über Ausschreibungen erst gegen 20 Uhr - und war nach einer halben Stunde beendet. Allerdings nicht, weil man mit der Tagesordnung durch war. Tatsächlich schafften es die Gemeinderäte, gerade einen von vier Punkten abzuschließen. Ein Grund dafür war sicherlich, dass die erste Viertelstunde dafür verwendet wurde zu betonen, wie wenig Zeit man heute habe. Herbert Uhl (FW) stellte sogar den Antrag, zwei Tagesordnungspunkte zu vertagen, weil man angesichts des knappen Zeitbudgets nicht angemessen darüber diskutieren könnte. Zumindest einen davon, so die Verwaltung, müsse man wegen drohendem Fristablauf aber beschließen. Und auch die anderen sollte man tunlichst beraten, empfahl Georg Kast, Büroleiter des Bürgermeisters, schließlich stehen in diesem Monat noch zwei Sitzungen mit umfangreicher Tagesordnung an, da solle man nicht noch mehr draufpacken. In der Debatte stellte Michael Niebler (CSU) dann sehr schnell den Antrag auf Ende derselben. Zog ihn aber wegen drohender Gegenrede und daraus wohl resultierendem weiteren Zeitverlust zurück. Stattdessen verkündete er nur knapp, er werde das Rathaus pünktlich um 20.30 Uhr verlassen, schließlich habe sich das Gremium zuvor auf diesen Schlusstermin verständigt. Woraufhin zahlreiche Gemeinderatsmitglieder andeuteten, dem Beispiel Nieblers folgen zu wollen. Schließlich wurde Uhls zuvor abgelehntem Antrag dem Geiste nach entsprochen, Bürgermeister Georg Reitsberger erklärte die letzten drei Tagesordnungspunkte für abgesetzt und auf folgende Sitzungen verschoben.

Die Ursache für die ungewöhnliche Hast war weder ein Gasleck im Keller noch eine Bombenentschärfung - sondern das Fernsehen. Das übertrug am Donnerstag, wie zur Zeit des öfteren, ein Fußballspiel, das sich offenbar die überwältigende Mehrheit der Gemeinderäte unbedingt ansehen wollten. Wann die abgesetzten Tagesordnungspunkte nachgeholt werden sollen, steht noch nicht fest - vielleicht muss man erst im Fernsehprogramm nachschauen, wann es passt.

© SZ vom 09.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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