Mitten in Vaterstetten:Geschichte erfahrbar machen

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Wenn in der Gemeinde die Benennung neuer Straßen ansteht, hat die Gemeinderatsdebatte über den richtigen Namen inzwischen selbst schon historischen Wert

Kolumne Von Barbara Mooser

Seit fast 24 Jahren sitzt Manfred Schmidt (FBU/AfD) im Vaterstettener Gemeinderat, und eines seiner Leib- und Magenthemen ist die Benennung von Straßen in der Gemeinde. Seine Sicht der Dinge hat er mittlerweile so oft vorgetragen, dass er das beim nächsten Mal nicht noch einmal tun müsse, so jedenfalls der Appell an ihn, formuliert von Bürgermeister Georg Reitsberger (FW) in der jüngsten Gemeinderatssitzung: "Ich kann's schon auswendig." "Aber nicht alle", antwortete Schmidt - woraufhin ihm ein vielstimmiges, interfraktionelles und vor allem lautes "Doch!" entgegen schallte.

Und das vielleicht nicht zum letzten Mal. Sollte sich Schmidt entscheiden, im kommenden Jahr noch einmal für das Gremium zu kandidieren, und seine Anhänger, ihn noch einmal wählen, werden die Gemeinderäte seine Gedanken zu Straßennamen wohl noch einige Male zu hören bekommen - denn auch in diesem Fall hat er sich mit seinen Vorschlägen nicht durchgesetzt.

Zwar wollte er einen neuen Weg diesmal nicht nach Erwin Rommel benannt sehen - nach Ansicht Schmidts ein Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime und von ihm daher schon häufiger als Namensgeber für kommunale Verkehrsinfrastruktur vorgeschlagen. Nein, diesmal sollten die Geschwister Scholl als Namenspaten dienen, die auch nach Überzeugung vieler anderer Widerstand gegen die Nazidiktatur geleistet haben. Dennoch wird es auch künftig erst einmal keine Geschwister-Scholl-Straße im Neubaugebiet Vaterstetten Nordost geben: Bürgermeister Reitsberger setzte sich mit seinem eigenen Vorschlag durch, die neue Straße nach einer großen Hofstelle zu benennen, die sich einmal auf diesem Areal befunden hat: Kotterweg wird sie daher heißen, das beschlossen die Gemeinderäte mehrheitlich. Mehrere von ihnen lobten den Vorschlag als sehr geglückt.

Bereits im Herdstättenverzeichnis aus dem Jahre 1443 ist das Kotteranwesen als Vollhof erwähnt, umgeben war er wohl von einer großen Hauswiese. Bis ins vergangen Jahrhundert blieb der Kotterhof das größte Anwesen in der Ortschaft Vaterstetten, so ergaben es die Recherchen des Bürgermeisters, der auch leidenschaftlicher Heimatforscher ist.

Dabei hätte es für die Geschwister Scholl als Namensgeber auch viele Stimmen gegeben, vor allem aus den Reihen von SPD und Grünen. Wobei Axel Weingärtner (Grüne) anmerkte, er empfinde es durchaus als "pikant", dass ausgerechnet Schmidt diesen Vorschlag gemacht habe, der Mitglied in einer Partei sei, deren Vorsitzender die NS-Zeit als "Vogelschiss in der Geschichte" bezeichnet hat. Völlig ohne jede Diskussion ging hingegen eine andere Straßenbenennung über die Bühne. Eine Straße im Gewerbepark nördlich der A 94 wird folgerichtig ganz einfach "Am Gewerbepark" heißen.

© SZ vom 30.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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