Mitten in Vaterstetten:Fluch und Segen von Nadelfilz

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Ganz groß im Kleinen debattiert hat Vaterstettens Gemeinderat bei einer wichtigen Entscheidung für den Neubau der Grund- und Mittelschule: Teppich oder Parkett?

Von Wieland Bögel

Wer, so eine antike griechische Überzeugung, das Große im Kleinen und das Kleine im Großen zu erkennen vermag, der ist schon gut unterwegs in Richtung Weisheit. Insofern braucht man sich um die Zukunft der Gemeinde Vaterstetten keine Sorgen zu machen, denn der Sprung von groß zu klein und umgekehrt gelingt den gewählten Volksvertretern hervorragend. Gut zu beobachten war dies in der jüngsten Debatte um den Neubau der Grund- und Mittelschule.

Konkret hatten die Gemeinderäte den Bauantrag für das Projekt auf den Weg zu bringen, damit endlich die Arbeiten an dem Neubau beginnen können. Der soll nach aktueller Schätzung 39,2 Millionen Euro kosten - diese Summe hatte der Gemeinderat bereits im Sommer als Obergrenze festgelegt. Nun wurde festgelegt, dass es auch 30 000 Euro mehr kosten darf - rund ein Promille der Gesamtsumme - , um ein Übel zu verhindern, das Schulbauten und deren Benutzer seit Jahrzehnten peinigt: Der Name dieser Nemesis pädagogischer Einrichtungen lautet: Nadelfilz. Für alle, deren Expertise in puncto Auslegewarenauswahl begrenzt ist: Dabei handelt es sich um einen, auch unter dem Namen Nadelvlies firmierenden, Teppichboden, der in vielen Farben, etwa grau, grün und manchmal sogar in grün-grau zu haben und oftmals in öffentlichen Gebäuden anzutreffen ist. Nicht jedoch in der geplanten Grundschule in Vaterstetten, dafür sorgten nun FDP-Gemeinderätin Renate Will und Grünen-Gemeinderat Axel Weingärtner. Die beiden sprachen sich so überzeugend gegen den Textilbelag aus, dass dieser fast einstimmig vom Gremium verworfen wurde. Stattdessen soll nun ein Parkettboden verlegt werden, dieser sei zwar rund 30 000 Euro teurer, aber, wie Will und Weingärtner ausführten pflegeleichter, geruchsärmer, für Allergiker geeignet und - im Falle eines Notfalles - leichter zu reinigen.

Bürgermeister Georg Reitsberger war sofort überzeugt: Wenn sich eine frühere bildungspolitische Sprecherin des Landtages und ein Lehrer gegen den Textilboden aussprächen, könne das Gremium dieser Einschätzung sicher folgen, was es dann auch mit großer Mehrheit tat. Das passende Schlusswort der Debatte ganz im Sinne des Kleinen im Großen kam von FW-Gemeinderat Roland Meier: "Über die Farbe der Fliesen reden wir dann das nächste Mal."

© SZ vom 08.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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