Schildbürgerstreich:Wer hat Steinhörings Ortsschild geklaut?

Lesezeit: 1 min

Schildbürgerstreiche waren in Steinhöring bisher weniger üblich. (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Und warum? Schließlich steht weder der Ortsname von "Wampens" noch von "Fickmühlens" drauf. Unsere Autorin hat nachgeforscht.

Kolumne von Theresa Parstorfer

Groß ist Steinhöring nicht. Das weiß jeder, der schon einmal auf der B 304 den einen Kilometer von Ortsschild zu Ortsschild gefahren ist. Seit einer Woche jedoch ist Steinhöring unendlich. Denn seit einer Woche ist das Verkehrsschild, das seit jeher das offizielle Verlassen des Ortes gen Westen verkündete, spurlos verschwunden. Es liegt nicht etwa angefahren, umgefahren, lädiert im Straßengraben, es ist einfach weg, samt Rahmen, samt Pfosten. So hat Steinhöring keine Grenze mehr. Zumindest bis man knapp fünf Kilometer später das Ebersberger Ortsschild passiert.

Zugegeben, es könnte als pedantisch aufgefasst werden, sich über ein verschwundenes Ortsschild Gedanken oder gar Sorgen zu machen. Aber die Folgen für regeltreue Verkehrsteilnehmer sind nicht zu unterschätzen. Man denke nur an die Gefahren, die dadurch entstehen könnten. Ein nicht mit den gültigen Geschwindigkeitsbegrenzungen vertrauter Autofahrer könnte schon verwirrt sein.

Die Ortschaft scheint ganz offensichtlich zu Ende zu sein, doch darf der Fuß auf dem Gaspedal den Verlockungen der sanften Biegung Richtung Ebersberg nachgeben? Darüber hinaus, beinahe philosophisch gedacht, macht das fehlende Ortsschild die Kontingenz, die Willkür jeglicher menschlicher Grenzziehung bewusst. Warum hat man einstmals beschlossen, gerade hier ein Ortsschild aufzustellen? Haben die Steinhöringer mit seinem Fehlen Anspruch auf das Land bis Ebersberg?

Derartige zugegebenermaßen nicht unbedingt konsistente oder gar realistische Spekulationen erschöpfen sich allerdings nicht mit der morgendlichen Pendelfahrt. Nachforschungen ergeben, dass es sich beim Verschwinden des Ortsschildes um einen heimtückischen Diebstahl handelt. Geklaut? Das Steinhöringer Ortsschild? Sicherlich, bestimmte Ortschilder bergen einiges an Potenzial, beispielsweise als Selfie-Motiv. Mit vorgestrecktem nacktem Bauch wird vor dem Ortsschild Wampens in der Nähe von Greifswald posiert.

Man kann sich das Spektakel vorstellen, das vor dem Ortsschild Fickmühlens im Landkreis Cuxhaven stattfinden könnte. Aber Steinhöring? Beim besten Willen fällt kein möglicher Mehrwert ein, der es rechtfertigen würde, gerade dieses Ortsschild samt Rahmen und Pfosten aus dem Boden zu graben. Bis auf vielleicht so unendlichen Lokalstolz und die damit verbundene Absicht, Steinhöring endlich (für drei Wochen - so lange dauert es, bis das neue Schild eintrifft) ein bisschen größer zu machen.

© SZ vom 07.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: