Mitten in Landsham:Die Kehrseite der Abgeschiedenheit

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Einsamkeit kann durchaus inspirierend wirken. Doch wenn man ihr mal mit öffentlichen Verkehrsmitteln entfliehen möchte, kann das bisweilen zum Problem werden

Kolumne von Christian Bauer

Einsamkeit und Abgeschiedenheit sind Motive, die von den Menschen schon immer als faszinierend empfunden wurden. Nicht umsonst ist Daniel Defoes Geschichte um Robinson Crusoe weltbekannt und wurde unzählige Male verfilmt. Vielleicht ist die sich ständig beschleunigende Welt Schuld daran, dass viele der Einsamkeit eine beinahe mystische Bedeutung beimessen. Möglicherweise ist es auch der Ruf der Natur, der uns lockt, oder der Gedanke, zu uns selbst zu finden - oder eine Mischung aus alldem. Inspirierend ist das Alleinsein auf jeden Fall. Wer hat nicht das klassische Bild des Schriftstellers im Kopf, der sich in eine abgeschiedene Berghütte zurückzieht, um an seinem Roman zu schreiben?

Demnach müsste das Dorf Landsham in der Gemeinde Pliening die inspiriertesten Menschen weit und breit hervorbringen. Leider bilden den Höhepunkt der dortigen Kunst einige gemalte Jagdszenen auf pseudo-altertümlichen Häuserfassaden. So schön diese auch sind, könnte man doch mehr erwarten, wo die Voraussetzungen schon so gut sind. Einsamkeit findet man hier genug, denn vom Rest des Landkreises ist man so abgeschirmt wie nur möglich. Dabei liegt die Stadt Ebersberg nur 30 Minuten Autofahrt entfernt. Genau da liegt das Problem: Autofahrt.

Wer hingegen in Zeiten von Klimawandel und Abgasskandalen etwas für sein Gewissen tun und auf öffentlichen Nahverkehr umsteigen möchte, der muss sich auf eine lange Reise gefasst machen. Beispielsweise könnte man den Bus nach Grub nehmen, mit der S2 stadteinwärts nach Berg am Laim fahren, um dann in die S6 umzusteigen, die einen wieder aus München hinausbefördert. Fahrzeit zwischen 67 und 86 Minuten. Oder man ist kreativ und koppelt drei bis vier Busverbindungen aneinander, um auf 61 bis 85 Minuten zu verkürzen. Es geht sogar noch besser: Fährt man mit der S-Bahn nach Markt Schwaben und nimmt von dort den Bus, verkürzt man auf sagenhafte 59 Minuten. Einmal am Tag ist es möglich, unter einer Stunde zu bleiben. Wenn man um 5.40 Uhr aufbricht.

So anziehend und inspirierend die Abgeschiedenheit auch ist, muss man es denn gleich übertreiben?

© SZ vom 13.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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