Mitten in Kirchseeon:Spionin gefasst?

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Was hat es bloß mit dem traurig dreinblickenden Mädchen auf dem Rücksitz des Polizeiautos auf sich. Vielleicht eine junge 007, die für internationale Verwicklungen sorgt? Oder doch nur die Tochter des Beamten, die vom Papa höchstpersönlich zur Mathestunde in der Schule abgegeben wird?

Kolumne von Anja Blum

Es gibt Momente im Leben, die einen irgendwie berühren, gerade weil sie so kurz sind wie eine Sternschnuppe am Nachthimmel - und genauso geheimnisvoll. Ein ganzes Feuerwerk an Spekulationen löst zum Beispiel der Anblick eines Polizeiautos um kurz nach neun Uhr morgens in Eglharting aus, auf dessen Rückbank eine junge Frau, ach was, ein Mädchen sitzt und traurig aus dem Fenster blickt. Wer nur einigermaßen fantasie- und empathiebegabt ist, gerät da doch sofort ins Grübeln.

Wurde der Teenager vielleicht beim Ladendiebstahl erwischt und obendrein beim Schule schwänzen? Und was war dann das Objekt der Begierde? Lippenstift etwa? Süßkram? Oder handelt es sich gar um eine echte Ausreißerin, die gerade auf dem Weg war nach ganz weit weg, wohin auch immer? Und die nun - gegen ihren Willen - von den Beamten zu den bereits vor Sorge kranken Eltern zurückgebracht wird? Denkbar wäre aber auch der gänzlich umgekehrte Fall, nämlich dass das Mädchen aus einer wirklich schwierigen Familie stammt, aus Verhältnissen, die der Staat nicht zu tolerieren vermag - und nun handelt, sprich, die Tochter in ein Heim bringt, oder zu fürsorglichen Pflegeeltern? Ach, wer weiß das schon.

Es könnte aber natürlich auch sein, dass sich hier in Eglharting gerade tatsächlich etwas ganz Aufregendes abspielt: Dass die junge Frau eine ausländische Spionin ist, die - als Au-Pair getarnt - über die Familie irgendeines einflussreichen Wirtschaftsbosses wichtige Informationen beschaffen sollte. Und nun aufgeflogen ist? Ha, das muss es sein. Ganz bestimmt!

Da beendet ein Hupen jäh die kriminalistische Träumerei. Ach ja, die Ampel ist grün. Apropos Verkehr: Möglicherweise ist einfach der Vater des Mädchens ein Polizist, und hat seine Tochter in die Schule gefahren. Schließlich kann so eine bevorstehende Mathestunde einen Teenager auch ziemlich deprimiert dreinblicken lassen, oder? Wie gut, dass es die Fantasie gibt, die einen ganz schnell auf andere Gedanken bringen kann!

© SZ vom 18.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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