Mitten in Kirchseeon:Auf der Jagd nach dem Vorurteil

Tiefergelegte Sportwagen mit riskanter Fahrweise können doch nur von Kerlen in der Midlife-Crisis gelenkt werden - oder?

Kolumne von Karin Kampwerth

Weil das Jahr noch so blutjung ist, sollte es erlaubt sein, etwas großzügiger mit den guten Vorsätzen umzugehen. Wobei es an dieser Stelle nicht etwa darum geht, die ersten Ziele, die man sich in einem berauschenden Cocktail aus Silvesterfeuerwerk und Schaumwein für 2018 gesetzt hat, über Bord zu werfen. Im Gegenteil: Es dürfen noch ein paar Bestrebungen in punkto Selbstoptimierung dazu kommen. Zum Beispiel die Absicht, keine Vorurteile mehr gegen Fahrer tiefergelegter Autos zu haben, die ungeachtet jedes Tempolimits selbst in 30er-Zonen auf dicke Hose machen und ihre aufgemotzten Schlitten aus Lust am Limit geradeheraus in die nächste Radarfalle jagen - wenn denn da eine stehen würde.

Meist, so das Vorurteil, sitzen hinter dem Steuer sehr junge Männer oder sehr mittelalte Männer. Davon auszugehen war eigentlich auch bei dem schwarz lackierten, tiefer gelegten und mit besonders breiten Reifen ausgestatteten Geschoss, das am Mittwochvormittag in Kirchseeon über den Spannleitenberg in Richtung Ebersberg raste. Auf der zweispurigen Tempo-80-Strecke fuhren außerdem ein Transporter und diesen überholend eine Familienkutsche, der der Raser an der Stoßstange klebte, so drängelte er, um wenig später mit gefühlten 120 Sachen daran vorbeizurauschen - zumindest bis zur roten Ampel bei Reitgesing. Als Linksabbieger die ideale Gelegenheit, sich den Kerl im Rennwagen näher anzusehen. Das überraschende Fazit: Frauen gehen dann und wann die Gäule durch. Nicht nur, was Vorurteile betrifft, sondern auch PS.

© SZ vom 11.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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