Mitten in Kirchseeon:Alles abgeholt

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Was vor der Tür steht, wird mitgenommen: So in etwa funktioniert Deutschland. Manchmal aber fragt man sich schon, ob der Abhol-Weltmeister nicht ein bisschen übertreibt

Kolumne von Karin Kampwerth

Ohne Frage, wir sind Abholweltmeister. Eigentlich müsste man nichts mehr selber irgendwohin bringen - außer vielleicht die Kinder in die Schule, wobei: Söhnchen oder Töchterchen könnte man der netten Nachbarin anvertrauen, die ihre eigenen Kleinen zum Unterricht chauffiert und danach wieder einsammelt. Willkommen sind natürlich auch angenehme Kollegen, die uns für die Mittagspause in die Kantine abholen. Und wer aus dem Urlaub zurückkehrt, ist ganz glücklich, wenn die Daheimgebliebenen einen freudig am Flughafen oder Bahnhof abholen.

Das Abholsystem perfektioniert haben wir aber in erster Linie beim Müll. Zuverlässig kommen meist im wöchentlichen Wechsel die Abholer von Bio- und Hausmüll und einmal im Monat gesellen sich die Abholer des Gelben Sacks dazu. In diese Riege reihen sich dann häufig Sportvereine ein, die ebenfalls im Vier-Wochen-Rhythmus die Bürger von ihrem Altpapier befreien. Selbst Politiker sind mit Feuereifer dabei, den Wähler irgendwo abzuholen. Freilich nicht zum Stammtisch des Ortsverbandes mit Freibier, sondern im übertragenen Sinne an den unterschiedlichen Standpunkten im Meinungskorridor. Wobei die Junge Union an dieser Stelle nicht vergessen werden darf, die es - möglicherweise aufgrund ihrer Jugend - mit dem Abholen noch etwas praktischer hält und kürzlich erst die ausgedienten Christbäume quasi von der Haustür weg entsorgt hat.

Die Kirchseeoner haben am Dienstagmorgen aber noch einen draufgesetzt. Am Spannleitenberg auf Höhe der Alpenstraße, wo die Verkehrsüberwacher immer ihre Blitzer aufstellen, war in der Früh ein Bulldog damit zugange, die Schneerestchen des Vortages auf einen Hänger zu schaufeln und wegzukarren. Da wundert man sich, warum in einem Winter, in dem Flocken eine Halbwertszeit von 24 Stunden haben, tatsächlich ein bisschen übriger Schnee abgeholt wird? Möglicherweise, damit die Radarfallen nicht behindert werden. Wobei sich mancher Autofahrer sicher wünscht, dass auch diese mal abgeholt werden. Am besten von einem Müllwagen.

© SZ vom 24.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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