Mitten in Grafing:Was wirklich wichtig ist

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Kunst für den Kreisel? Geht es um die Optik überbieten sich die Grafinger Stadträte regelrecht mit Wortmeldungen. Da muss manch anderes Thema mal eben hinten anstehen

Glosse von Thorsten Rienth

Der erste Eindruck zählt. Bei jemandem, der im Auto - oder freilich auf dem Radl - von Glonn nach Grafing fährt, ist das der neue Kreisel am Gewerbegebiet. Darüber herrschte am Dienstag im Grafinger Stadtrat eine dort seltene parteiübergreifende Einigkeit. So "schiach", wie der Kreisel derzeit aussehe, könne der Ortseingang unmöglich bleiben, befand CSU-Stadtrat Thomas Huber. Der Rest der Anwesenden in der Stadthalle blickte zuerst auf die Leinwand und nickte dann betroffen in Hubers Richtung. Auf dem Foto sahen sie die Reste eines braungrünen Hügels, der im Schneeregen der vergangenen Wochen schon sichtbar vor sich hin erodierte. Etwas mehr Farbe würde dem Kreisel doch gut tun, sagte Huber. Zum Beispiel in Form eines Kunstwerks, mit dem sich der Grafinger an sich gut identifizieren könne. Ein Bär zum Beispiel, "am besten aufrecht stehend". Ein Bierfass vielleicht. Oder halt das Stadtwappen.

Wer welchen Vorschlag dazwischen rief, ließ sich angesichts von Abstandsregelungen und auch am Sitzplatz geltender Maskenpflicht nicht mehr so genau feststellen. Zumindest nicht so lange, bis Bürgermeister Christian Bauer (CSU) die Hoheit über die Rednerliste zurück erlangt hatte. Also weiter: Ottilie Eberl (Grüne) schlug "was mit Europa oder der Partnerstadt vor", Spenglermeister Josef Pollinger (CSU) plädierte für die Wappen von Handwerkskollegen, Susanne Linhart (CSU) befand: "Ich freue mich über jede Verbesserung und finde persönlich, dass der Bär da gut drauf passt." Christian Einhellig (Freie Wähler) mahnte "ein bisserl Bescheidenheit" an, Elli Huber (CSU) sorgte sich um die Wirkung des Kunstwerks. Man müsse schon aufpassen, dass am Ende nicht alles "too much" würde, also praktisch von dem Kreisel selbst nichts mehr zu sehen wäre. "Wir überlegen uns was und stellen was vor", versuchte Bauer einen Schlusspunkt zu setzen. Was ihm auch fast gelang. "Nur noch eine technische Anmerkung", meldete sich Florian Wieser (CSU): "Bitte maßstabsgerecht zeichnen!"

Was in Grafing zählt, ist die Optik. Da müssen andere Dinge schon mal zurückstecken. Der Rekordschuldenhaushalt etwa. Für den votierte das Gremium ohne eine einzige Wortmeldung oder Nachfrage. Ob es die 350 000 Euro für die neue Tartanbahn heuer wirklich braucht? Ach was - stand doch so im Wahlkampfflyer. Oder das geplante Kinderzentrum an der Forellenstraße, das kurz vor der Sitzung ersatzlos von der Tagesordnung gestrichen worden war. Ob es Auswirkungen auf die Hortplätze gibt? Ach was - die Kinder sind doch aus dem Haus. "Immerhin", seufzte da Josef Rothmoser (CSU), "ist der Kreisel jetzt anständig vorberaten". Wenn das mal nichts ist.

© SZ vom 11.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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