Mitten in Grafing:Vergeben, nicht bebaut

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Bei der Stadt ist man sehr stolz darauf, für sämtliche Flächen im neuen Gewerbegebiet einen Interessenten gefunden zu haben - wenn es doch nur so einfach wäre

Kolumne von Thorsten Rienth

Wenn es, wie derzeit in Grafing, um die Ausweisung neuer Gewerbeflächen oder gar Gewerbegebiete geht, lohnt sich aufmerksames Hinhören. Bisweilen fällt nämlich in der Politkommunikation so manche Nuance auf, deren Konsequenz dann keine Nuance mehr ist. Zum Beispiel der stolze Grafinger Satz, dass, viel schneller als gedacht, bereits sämtliche Parzellen der "Schammach II"-Gewerbegebietserweiterung vergeben seien. Nichts an diesem Satz ist falsch. Aber eben auch nicht alles richtig. Vergeben - das impliziert ein Kleeblatt aus: Die Bagger kommen. Eine Fabrik wird hingestellt. Die Gewerbesteuereinnahmen sprudeln.

So einfach fügt sich die Sache aber nicht, wie ein derzeit hinter den Kulissen im Grafinger Stadtrat steigender Unmut zeigt. Hintergrund ist, dass ein örtlicher Unternehmer vor einigen Jahren zwar über zehntausend "Schammach II"- Quadratmeter erwarb - sie nun aber einfach liegen lässt. Der Mann hat keine Eile, die Bodenpreise steigen schließlich.

Während in den vergangenen Wochen noch vor allem geschmeidige Bewegungen aus der psychologischen Kriegsführung vollzogen wurden, wetzen die ersten nun auch vor den Kulissen die Messer. Würden Investoren Flächen aus finanztaktischen Gründen brachliegen lassen, fragte CSU-Stadtrat Josef Fritz im öffentlichen Teil der jüngsten Bauausschusssitzung, könne die Stadt nicht in die Offensive wechseln? Ergo: Den Investor zur Entwicklung des Grundstücks zwingen? Zumindest im aktuellen Fall sei das keine Option, schüttelte Bauamtsleiter Josef Niedermaier in der Sitzung den Kopf. In den "Schammach II"-Verträgen sei kein Baugebot hinterlegt.

Stattdessen, so ist aus mehreren Stadtratslagern zu hören, wechselte Grafing hinüber in die stille Diplomatie. Ob die Stadt denn nicht vielleicht einen Teil der Fläche zurück erwerben könnte - um sie dann an Interessenten mit akuten Bauabsichten zu vergeben? Offenbar gibt es welche, das ist die gute Nachricht. Die schlechte lautet: Die Preisvorstellungen lägen noch weit auseinander, heißt es. Aufgeben will die Stadt nicht. Mit welcher Machtfülle sie die nächste Verhandlungsrunde geht, lässt sie gerade mit einem Rechtsgutachten untersuchen. Zu welchem Schluss auch immer es kommt: Vergeben ist nicht noch lange nicht bebaut, zumindest in "Schammach II".

© SZ vom 21.05.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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