Mitten in Grafing:Pendeln mit Traktor

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Mit Kuh in der Bahn? Ein landwirtschaftliches Gefährt auf dem Parkplatz in Grafing Bahnhof gibt Anlass zu wilden Spekulationen

Von Jessica Morof

Anzugträger mit kleinen Aktenkoffern, Frauen in schicken Kostümen, Schüler und Geschäftsleute mit Rucksäcken voller Unterlagen - und mittendrin? Ein Landwirt mit seiner Kuh an der Leine. Dieses Bild ploppt bei der S-Bahn-Fahrt Richtung Ebersberg beim Halt in Grafing Bahnhof spontan vor dem inneren Auge auf. Auslöser ist ein etwas unerwartetes Gefährt auf dem Park-and-Ride-Parkplatz östlich der Gleise: Zwischen all die Modelle von Mercedes, BMW und Volkswagen hat sich an diesem Morgen doch tatsächlich ein grüner Fendt gemischt. Zugegebenermaßen ist es ein kleineres, älteres Traktormodell - trotzdem fällt er im üblichen Pendelverkehr doch auf. Und heizt wilde Spekulationen an.

Der erste Blick fällt auf das Smartphone; schnell wird in der Suchmaschine eingegeben: "Miss Muh Wahlen München". Leider kein Treffer. Die Vermutung, dass ein Landkreisbauer mit einer besonders hübschen Kuh zusammen in der Bahn nach München steht, ist damit wohl raus. Wahrscheinlich hätte es dafür vom Schaffner ohnehin nur Ärger gegeben. Spätestens in der Stadt. Denn dem Aufruf "Gehen Sie ins Wageninnere durch und blockieren Sie nicht den Eingangsbereich" ist mit Kuh nur schwer Folge zu leisten. Und auch die Wahl des Tickets hätte Probleme bedeutet: Hunderegelung, Fahrradkarte oder wahlweise Zuzahlung nach nötigen Sitzplätzen?

Wegen des Ticket-Problems ist wohl auch der zweite Einfall eher unwahrscheinlich: Ein Bauer, der mit purer Muskelkraft seinen Anhänger in den S-Bahn-Waggon hievt und geschickt neben den Kinderwagen vom kleinen Maximilian bugsiert. Die Ladung: eine hübsche Menge frisch gemähten Löwenzahns, der die Münchner Bio-Bürger am Viktualienmarkt beglücken soll. Vollkommen nachhaltig, weil regional und dank Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel auch beinahe ohne CO₂-Belastung der Umwelt. Eigentlich schade, dass diese Version der Geschichte wahrscheinlich unwahrscheinlich bleibt.

Bleibt nur ein letzter Einfall: Der fesche Wolfgang holt seine Resi ab. Herausgeputzt und mit frischen Wiesenblumen und Mundharmonika in der Hand wartet der Jungbauer vielleicht direkt am Gleis, bis er seiner Herzensdame aus Trudering ein Ständchen singen kann: "Resi i hol di mit mei'm Traktor ab. Resi, mit dem mach i niemals ned schlapp." Da bleibt nur zu hoffen, dass die Freude über eine gemeinsame Sommerausfahrt mit wehenden Haaren im Traktor-Cabrio nicht zuvor durch ein Knöllchen getrübt wird. Denn: Das Parkticket ist laut Einstellbedingungen der P+R-Anlagen "gut sichtbar am Armaturenbrett auszulegen". Gar nicht so einfach, ganz ohne Fenster, Dach - und vor allem ohne Armaturenbrett. Aber sicher wird sich der romantische Bauer auch dafür etwas einfallen lassen, um "Koaner hoit mi auf"-singend mit Resi gen Sonnenuntergang zu fahren.

© SZ vom 21.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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