Mitten in Grafing:Gefährliche Glotze

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Erst ist die Freude groß: Das Kind liebt den Filmklassiker der eigenen Jugend. Die Ernüchterung folgt auf dem Fuße

Kolumne von Anja Blum

Kinder und Medien - das ist ein riesengroßes Thema. Alle halbwegs verantwortungsbewussten Eltern machen sich eine Menge Gedanken darüber. Mit welchen Geräten soll der Nachwuchs hantieren? Am besten mit gar keinen. Welche elektronischen Spiele darf er spielen? Am besten gar keine. Welche Sendungen anschauen? Am besten..., na gut, vielleicht ab und zu mal, aber dann unbedingt etwas pädagogisch Wertvolles. Spätestens das ist dann der Moment, in dem die Kindheitserinnerungen der Eltern hochschwappen. Was gab es früher nicht für formidable TV-Shows, Serien, Filme?! "E.T." zum Beispiel war so ein cineastisches Highlight für die ganze Familie, das lange, lange nachwirkte.

Also flimmert beim nächsten heimischen Filmabend Steven Spielbergs Meisterwerk über die Mattscheibe - und es funktioniert! Auch die Kinder von heute sind begeistert von der extraterrestrischen Messiasgeschichte, bangen, fiebern, lachen und weinen mit dem zehnjährigen Elliott und seinem knuffigen Freund aus dem All. Und nicht nur das: Die Eltern sind ebenfalls glücklich, schwelgen sie doch in Erinnerungen an Tage, in denen sie selbst noch regelmäßig um eine weitere Folge "Schlümpfe" oder was auch immer bettelten.

Die harte Landung auf dem Boden der Realität folgt erst am nächsten Morgen. Die Mutter steht gerade im Bad, als die Tochter plötzlich zu ihr sagt: "Mama, du siehst aus wie E.T!" Was??? Ist da so viel Schaum in den Ohren? "Ja, genau wie E.T.", wiederholt die Sechsjährige mit freudestrahlendem Gesicht. Schließlich hat sie den keinen Außerirdischen schon ganz fest ins Herz geschlossen. "Aber ich hab doch gar keine Glatze und kann meinen Hals auch überhaupt nicht lang machen", erwidert die Mutter völlig verständnislos. "Stimmt", sagt die Kleine, "aber du bist genauso faltig und schön wabbelig wie er." Aha.

Das hätte es früher nicht gegeben. Nie wieder Glotze. Nie wieder!

© SZ vom 07.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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