Mitten in Grafing-Bahnhof:Warten auf das Internetzeitalter

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Eigentlich sollte ein neuer Funkmast zügiges Surfen möglich machen. Aber Grafing-Bahnhof ist zuverlässig darin, unzuverlässig zu sein

Kolumne von Clara Lipkowski

Es gab mal einen Hoffnungsschimmer für Grafing-Bahnhof. Mitte Oktober vergangenen Jahres hieß es sinngemäß: Das Ärgern hat ein Ende. Die Stadt verkündete, eine Baugenehmigung für einen Funkmast sei an die Deutsche Funkturm GmbH erteilt worden. S-Bahn-Pendler und Handyabhängige schöpften neuen Lebensmut. Das verzweifelte Warten auf schnelles, mobiles Internet, sollte endlich ein Ende haben. Ende November oder Anfang Dezember sollte der Mast in Betrieb gehen, teilte man mit. Das war wohl etwas voreilig.

Bis dato war es so: Entlang der schönen S-Bahn-Strecke zwischen München und Ebersberg fühlte man sich weitgehend wie ein Reisender im 21. Jahrhundert. Die S-Bahn fuhr (zumindest meistens) und kam auch in der Regel irgendwo an. Man checkte wie gewohnt E-Mails, lud Videos oder googelte sich durchs Netz. Man konnte sich ganz in die virtuelle Welt vertiefen. Und plötzlich! - lud das Mailpostfach nicht mehr und auch sonst war das Smartphone zu nichts mehr zu gebrauchen. Statt 4 G nur noch E, das Internet, es war weg. Da wusste man: Man ist in Grafing-Bahnhof.

Irgendwie auch schön, dieses Gefühl. Diese Zuverlässigkeit in unserer schnelllebigen Welt. Kein Internet in Grafing-Bahnhof war so manifest, wie die Tatsache, dass der oft versprochene und herbeigesehnte Kiosk am selben Bahnhof niemals öffnen würde. Und im Grunde war es ja auch hilfreich: Wer bis dahin vertrödelt hatte, ob er aussteigen musste, wusste jetzt wieder wo er war.

Im Herbst dann die Ankündigung, dass alles bald vorbei sein sollte. Der Schritt ins 21. Jahrhundert stand kurz bevor. Und dann öffnete im Januar auch noch der Kiosk.

Aber zu früh gefreut. Mehr als vier Monate später macht sich Grafing-Bahnhof alle Ehre als internetloser Ort. Sobald die S-Bahn in den Bahnhof einfährt, geht nichts mehr auf dem Handydisplay. Es ist also alles wie immer. In dieser Sache ist sich Grafing-Bahnhof treu: Es ist zuverlässig darin, unzuverlässig zu sein.

© SZ vom 26.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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