Mitten in Glonn:Dahoam am Seeufer

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Auf der Suche nach dem kleinen Sommerglück wird unsere Autorin am Kastensee immer wieder heimisch

Von RITA BAEDEKER

Alles auf Erden hat seine Zeit - und seinen Ort. Auch der Badeausflug an den See des Herzens, der wenigstens für ein paar Tage im Sommer zum zweiten Zuhause wird. Und jedes Jahr gibt es wieder ein erstes Mal. Wenn dann das Thermometer endlich auf eine ordentliche zweistellige Zahl steigt und man frei hat, dann gibt es nur eins: Badehosen und -anzüge gepackt, Handtücher, Sonnencreme, Buch und Brille, und ab geht es an den Kastensee, jenes kleine idyllische Gewässer bei Glonn, gesäumt von Moor, Wald, Wiesen, einem Reiterhof und einer Badeanstalt, wie es sie kein zweites Mal gibt auf Erden - und vielleicht so herrlich altmodisch bald nicht mehr geben wird. In die Vorfreude mischt sich jedoch jedes Mal bange Erwartung. Es ist, als träfe man einen innig geliebten Menschen nach langer Zeit wieder. Ist er noch derselbe? Hat man einander noch gern oder spürt man Anzeichen von Entfremdung?

Doch dann die freudige Erkenntnis! Alles ist wie immer. Am Ufer lädt der leicht abschüssige Holzsteg unter Pappeln zum Sonnenbaden ein. Von ferne dringt Wiehern ans Ohr, Kindergeschrei. Nur die dicken Karpfen, die vorbeiziehen und nach Brocken - oder einer großen Zehe schnappen - fehlen heute.

An der Einfahrt zum Parkplatz sitzt seit unfassbar vielen Jahren derselbe freundlich lächelnde alte Mann mit Hut, der die bescheidene Parkgebühr kassiert und einen wunderschönen Tag wünscht. Es scheint, als sei er keinen Tag gealtert. Oder ist es so, dass Stammgäste das nicht mehr merken, weil auch sie älter werden? Wieder nimmt man sich vor, ihn zu fragen, wie es ihm geht, wie er das so lange aushält auf dem kleinen Stuhl in der prallen Hitze, aber da kommen schon die nächsten, die einen Platz suchen, und man lässt es bleiben.

Auch an der Kasse das ersehnte Deja-vu! Wie jedes Jahr kassiert Magdalena Klarner den Eintrittspreis mit ein paar freundlichen Worten, erwähnt wie praktisch das Badekleid sei, das man da trage, und wünscht viel Vergnügen. Im Wasser schließlich, das weich ist und warm vom Moor, stellt es sich ein, das Glück des Schwimmens. Nur ein paar junge Männer, offenbar Neulinge, ekeln sich vor dem morastigen Grund. "Das ist Kot!", ruft einer. Sie wissen es nicht besser. Und sie kennen es (noch) nicht, dieses beruhigende Gefühl: Da bin i dahoam - zumindest für ein paar Tage im Sommer.

© SZ vom 09.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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