Mitten in Ebersberg:Zuhause im Wirtshaus

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Dabei sein ist alles. Das olympische Motto gilt auch für Gemeinderäte, selbst wenn die offiziellen Veranstaltungen manchmal recht ermüdend sind

Von Jessica Morof

Es ist keine einfache Aufgabe, die sich Gemeinderäte durch ihr Amt aufbürden. Zusätzlich zum Job, der Familie, zu Hobbys und Freizeit erklären sie sich bereit, sich auch noch um das Gemeinwohl verdient zu machen. Dafür gebührt ihnen Respekt. Denn rein zeitlich können das eigentlich nur die Fittesten der Fitten schaffen. Zudem müssen sie sich in oft völlig fremde Aufgabengebiete und Themenfelder einarbeiten. Wer kennt sich schließlich von Haus aus mit Bebauungsplänen, Parkplatzsatzungen, Entsorgungsrichtlinien oder Zuschussanträgen aus?

Und zu allem Überfluss ist es mit den ständigen Sitzungsterminen im Rathaus nicht einmal getan. Als Person des öffentlichen Gemeindelebens flattern zusätzlich immer neue Einladungen zu Empfängen, Eröffnungen und Vortragsabenden in den Briefkasten. Selbstredend verdienen sie alle die Beachtung der Gemeinderäte; selbstredend auch parteiübergreifend.

Kein Wunder also, dass es bei dem ein oder anderen Gemeinderat auch mal zu Ausfallerscheinungen kommen kann. Zum Beispiel, wenn nach einer Woche inklusive Gemeinderatssitzung am Ende ein Empfang und Vortragsabend mit Finanzschwerpunkt wartet. Ein Thema, für das ohnehin nur wenige Menschen brennen und dem ob seiner Komplexität nicht jeder etwas abgewinnen kann. Schon gar nicht an einem kühlen, tristen Herbstabend, den man genauso gut - wenn nicht besser - gemütlich auf der Couch verbringen könnte. Wohl dem, der in solchen Momenten aus der Not eine Tugend macht und sich das Wohnzimmer in den Veranstaltungssaal im Wirtshaus verlegt. Schließlich sind sie sich gar nicht so unähnlich: In beiden wird gerne mit Freunden geratscht; in beiden werden Leckereien gereicht - zumindest wenn man die Familie richtig organisiert; beide laden dann und wann zu feuchtfröhlichen Gelagen ein.

Da ist es dann wohl nicht verwunderlich, wenn die Grenzen zwischen "Zuhause" und "zu Gast" verwischen, ein Gemeinderat den Wirtshausstuhl mit der heimischen Couch verwechselt und zwischendrin ein kleines Nickerchen einlegt. Statt vor dem Nachrichtensprecher im Fernsehen eben vor dem Redner am Pult. Böse Zungen würden es als unseriös bezeichnen. Aber nein, es ist vielmehr ein Beweis des Engagements jener Person, die sich auf den offiziellen Veranstaltungen bereits ganz zuhause fühlt. Getreu dem Motto: Hier bin ich Mensch - hier schlaf ich ein.

© SZ vom 29.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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