Mitten in Ebersberg:Versicherung 4.0

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Computer gegen Mensch: Wer bei der Aktenvernichtung das Sagen hat, ist allerdings nicht ganz auszumachen

Von Jan Schwenkenbecher

Ob sich Geschichte wiederholt, ist umstritten. Dass allerdings man aus ihr lernen kann, stellte eine große Versicherung jüngst unter Beweis. Deren Direktion Kreis Kleve - Kreis Wesel lud vor zwei Wochen zu einem Kongress zum Thema "Arbeit 4.0 als permanenter Wandel". Verschiedenste Experten aller Couleur informierten über die Auswirkungen der durch die Technisierung veränderten Rahmenbedingungen von Gesellschaft, Politik und Wirtschaft.

Letzteres schien besonders für die Versicherung selbst interessant, ist sie ja immer noch ein wirtschaftendes Unternehmen. Und nachdem die Produktionskraft Mensch nun bereits drei Mal von technischen Entwicklungen überrumpelt wurde - zuerst kam die Dampfmaschine, dann Fließbänder und schließlich Computer und EDV - überrascht heute die Wirtschaft 4.0 mit Robotern, die dem gemeinen Arbeiter nicht nur den Hammer, sondern auch das Heft aus der Hand nehmen. Der Versicherungskonzern sieht sich da besonders gefährdet, neben Beamten gelten auch deren Mitarbeiter als mitunter träge, böse Zungen behaupten ersetzbar. Hotlines und Online-Formulare haben die Maschinen schon längst unter ihre Kontrolle gebracht. Und braucht es wirklich noch den menschlichen Sachbearbeiter, der die Leistungsübernahme abnickt?

Doch die Versicherung hat gelernt von ihrem Klever Expertenstammtisch. Roboter, die die Arbeitsplätze an sich reißen wollen, so dachte wohl jüngst der Ebersberger Büroleiter, müssen ja auch irgendwo herkommen. Und genau dort entsteht ein Vakuum voller leerer Arbeitsplätze. Das wiederum könne ja mit der Produktionskraft Mensch befüllt werden. Und so kam es, dass die Ebersberger Sachbearbeiter eines Morgens, statt Sachen zu bearbeiten, schon mal den Ernstfall probten. Sie verließen ihre Bürosessel und krempelten die Ärmel hoch, um vor dem Haus das Heft respektive die Akten wieder in die Hand zu nehmen. Dort schlossen sie sich zu einem menschlichen Fließband zusammen und reichten einander im Akkord Stapel um Stapel Schnellhefter weiter, die letztlich in einem großen Müllcontainer landeten. Warum die Angestellten tonnenweise Akten vernichteten, ist ja letztlich auch egal, vermutlich schrieb der Computer ihnen das so vor - der Geist von Kleve-Wesel, er lebt.

© SZ vom 08.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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