Mitten in Ebersberg:Tarnung ist alles

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(Foto: N/A)

Wer die Gepflogenheiten und die Folgen eines Bierzeltbesuches nicht gewohnt ist, der muss sich am Tag danach etwas einfallen lassen

Von Annalena ehrlicher

Die Kunst des souveränen Volksfestbesuches hat der Bayer im Blut. Wer jedoch nicht von Geburt an unter dem weiß-blauen Himmelszelt wandelt, der muss seine Erfahrungen bisweilen im Schnelldurchlauf machen. Seit Freitag bietet sich beispielsweise das Ebersberger Volksfest zu Übungszwecken an. Man kann dort unter anderem lernen, dass die Bestellung "Könnte ich ein kleines Helles haben?" nicht nur ignoriert, sondern üblicherweise mit einer Mass voll Festbier vor der Nase endet.

Man lernt außerdem, dass Bierzelt-Delikatessen nicht nur aus Genusszwecken serviert werden, sondern eine unentbehrliche Grundlage sind, um die bevorstehende Getränkeverköstigung zu überstehen. Des Weiteren erfährt der unbedarfte Neuling, der sich fragt, warum die Kollegen nicht in knackigen Lederhosen und geblümten Dirndln auftauchen, dass der wahre Bayer inzwischen gerne mal dazu neigt, die Tracht im Schrank zu lassen. Und zwar, weil manche Zugereiste das Auge der echten Erben König Ludwigs mit pinkfarbenen Mini-Dirndln und Plastik-Lederhosen reizen. Getarnt ist man im Bierzelt mittlerweile in zivil also fast besser. Hat man schließlich noch die Kunst erlernt, den Masskrug einhändig zu stemmen, geht man mit der richtigen Begleitung und ohne zu Sprechen (fast) als Profi durch.

Hat man nun das Bierzelt-Basis-Training absolviert, gilt es die Folgen der Begegnung mit Volksfestbier zu verarbeiten. Eine besonders schöne Möglichkeit ist am Samstagmorgen das Freiluft-Yoga am Klostersee. Auch hier gilt: Das Dirndl darf im Schrank bleiben, gefragt ist bequeme, möglichst dehnbare Sportbekleidung. Die Teilnehmer, die um acht Uhr morgens auf dem Steg Position bezogen haben, machen bereitwillig Platz und lassen den leicht schalen Biergeruch des Neu-Bayern unkommentiert. Das leise Wimmern bei anstrengenden Übungen wird freundlich überhört, höchstens mit einem gutmütigen Glucksen quittiert. Die Atmosphäre ist friedlich, die Luft klar, die Sonne angenehm wärmend, die Stimme der Yoga-Lehrerin beruhigend. Es gibt wohl keinen schöneren Ort, um sich von einem Bierzelt-Abend zu erholen als den Klostersee. Wohl dem, der es vorher schon besser wusste, und sich im Zelt ans Radler hielt.

© SZ vom 16.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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