Mitten in Ebersberg:Strenge Justitia

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Jugend schützt vor Strafe nicht. Wer sein Gerichtstermin in Ebersberg schwänzt, bekommt auch schon einmal eine Polizei-Eskorte oder wird gleich auf die Fahndungsliste gesetzt

Von Anja Blum

Der Staat greife bei jungen Straftätern nicht hart genug durch - diese Klage ist so alt wie populistisch. Schließlich treffen Verallgemeinerungen nur sehr selten ins Schwarze. Das Gegenteil, nämlich die harte Hand des Rechtswesens, ließ sich kürzlich vor dem Ebersberger Amtsgericht ziemlich gut beim Zupacken beobachten. Fahndung und Haftbefehl heißen die Instrumente, die dabei zum Einsatz kamen.

Ein junger Angeklagter aus Poing war nicht zu seinem Prozess erschienen - zum wiederholten Male. Das wollte die Richterin jedoch nicht auf sich sitzen lassen, zumal extra für die Verhandlung zwei ehrenamtliche Schöffen einbestellt worden waren. Zuerst versuchte die Vorsitzende, den Angeklagten telefonisch zu erreichen - vergeblich. Also bediente Justitia sich ihres verlängerten Arms, der Polizei. Zwei Beamte der Poinger Inspektion sollten den jungen Mann "vorführen", sprich: aus seiner Wohnung holen und ins Gericht nach Ebersberg bringen. Doch ohne Erfolg. Unter der Meldeadresse, ohnehin einer c/o-Konstruktion, war der Gesuchte an diesem Vormittag nicht anzutreffen. Laut Nachbarn habe er sich dort bereits seit zwei, drei Monaten nicht blicken lassen, gab die Polizei an das Gericht weiter. "Wahrscheinlich stimmt das alles schon lange nicht mehr", vermutete daraufhin die Staatsanwältin, schließlich lebe die Familie des Angeklagten in einer weit entfernten Stadt.

Die Richterin wiederum ärgerte sich sichtlich Sie hatte beim ersten versäumten Prozesstermin schon einen Haftbefehl erlassen, ihn aber gleich wieder aufgehoben, da der Angeklagte sich noch am selben Tag telefonisch entschuldigt hatte. "Das hätte ich mal lieber bleiben lassen sollen", sagte sie nun in Richtung Staatsanwältin. Jetzt wird also wirklich nach dem jungen Mann gefahndet. Und sollte er gefunden werden, so wird er wohl im Gefängnis auf seine Verhandlung warten.

Worum es darin gehen wird? Sachbeschädigung. Das Corpus Delicti: Eine Lampe im Wert von 35 Euro. Aber, und das ist das Entscheidende, das Vorstrafenregister des Zerstörers ist schon ziemlich lang.

© SZ vom 04.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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