Mitten in Ebersberg:Nachbarliche Delikatessen

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Eine Ziertreppe gewährt zu viel Einblick ins Haus nebenan. Jetzt muss der Eigentümer sie wieder abbauen

Von Annalena Ehrlicher

Des einen Freud' ist des anderen Leid, sagt schon der Volksmund. Gerade wenn es eng wird im Nachbarschaftsverhältnis, trifft diese Weisheit häufig zu. Und wenn das Leid über die Freude der lieben Nachbarn gar zu groß wird, muss eine höhere Instanz eingreifen. So manches Mal sind es Polizeibeamte, die dafür sorgen, dass der Regler an einer Stereoanlage herunter gedreht wird. Aber auch dem Stadtrat obliegt der "Nachbarschaftsschutz" - was in diesem Fall für einen Ebersberger Bauherrn Konsequenzen hat.

Dabei geht es um viel mehr als mal eine nächtliche Party, es geht um die Intimsphäre eines Nachbarn. Deren Verletzung zumindest fürchteten die Mitglieder im Technischen Ausschuss des Ebersberger Stadtrats. So hatte der Besitzer eines Hauses mit Flachdach eine delikate Modifizierung am eigenen Haus veranlasst. Eine Ziertreppe war angebracht worden, die vom Garten hinauf zum Dach führt. Nun war die Ziertreppe zum einen deutlich mehr Treppe als Zier, für körperlich unversehrte Menschen zumal problemlos nutzbar. Und zum anderen gewährt der Standpunkt in luftiger Höhe Einsicht ins Nachbarhaus. Genauer gesagt einen Premiumplatz für den freien Blick ins stille Örtchen von nebenan - ein Deckenlicht macht's möglich -, so dass das Privateste dort plötzlich gar nicht mehr so privat ist.

Da waren sich die Stadträte jedenfalls einig: Nachbarschaftsschutz ist wichtiger als das Recht darauf, sein eigenes Flachdach zu benutzen. Auch wenn Flachdächer im arabischen Raum ganz selbstverständlich zur Nutzfläche eines Hauses gehören. Das Argument hatte Philipp Goldner von den Grünen in die Debatte geworfen und einen ironischen Konter aus der CSU-Fraktion geerntet: Städtebaulich sei "der Arabische Raum momentan noch kein Referenzpunkt".

Blieb eine Frage noch zu klären: Ist die Aufstiegshilfe nun eine Zier oder doch eher nichts als eine gemeine Treppe. Die Entscheidung fiel nicht im Sinne des Bauherren aus: Er muss Stufen und Geländer wohl wieder entfernen. Grämen sollte er sich aber nun nicht gar zu sehr, sondern sich lieber daran erinnern, wie es dem Späher am Schlüsselloch ergehen kann: Bekanntlich sieht er häufig Dinge, die er gar nicht sehen wollte.

© SZ vom 14.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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