Mitten in Ebersberg:Futtern wie bei Muttern

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Beim Essen den Geschmack von Kindern zu treffen, ist eine Aufgabe, an der sich trefflich scheitern lässt. Koch-Profis sind da keine Ausnahme

Von Wieland Bögel

Für Kinder zu kochen, das wissen alle, die Kinder haben, oder selbst mal eines waren, ist keine ganz leichte Aufgabe. So werden gewisse Lebensmittel grundsätzlich und mit einer Vehemenz abgelehnt, die sonst nur bei fanatischen Sektenanhängern oder nicht minder fanatischen Gesundheitsaposteln zu beobachten ist. Doch während diese im Allgemeinen ihrem einmal gefundenen Ernährungsfundamentalismus treu bleiben, kommt bei Kindern noch erschwerend eine gewisse Wankelmütigkeit hinzu: Was gestern noch die Leibspeise war, ist morgen schon "Bäh", und was früher nicht mal mit der Beißzange angerührt wurde, darf jetzt bei keiner Mahlzeit mehr fehlen. Die Schwierigkeit, den kindlichen Geschmacksnerv zu treffen, ist daher gewissermaßen ein unbestreitbares Naturgesetz, wie nun in einem Imbiss in der Kreisstadt zu beobachten war.

Verkauft wird dort in zentraler Lage asiatisches Essen zum Mitnehmen oder Dableiben, für beide Optionen gibt es genügend Publikum. Gerade in den Mittagsstunden ist viel los, Schüler nahe gelegener Bildungseinrichtungen und Angestellte umliegender Büros und Behörden warten geduldig in der Schlange auf Reis, Nudeln und Frühlingsrollen. Während man noch überlegt, ob in der heutigen Mittagspause Ente mit scharfer Sauce oder lieber Shrimps oder vielleicht doch die Gemüsepfanne verzehrt werden soll, hat sich ein anderer bereits entschieden. Es ist der kleine Sohn der Chefin, der sich gerade anschickt, mit seinem Mittagessen Platz zu nehmen - allerdings handelt es sich dabei um ein Konkurrenzprodukt. Statt Sprossen und Süßsauersauce hat der junge Mann doch eindeutig einen Snack vom benachbarten Grill-Imbiss in der Hand. Und das sogar offensichtlich mit dem - vermutlich eher weniger denn mehr vorhandenen - Einverständnis von Mama. Denn die bekommt vor dem Essen artig das Restgeld ausgehändigt.

Es ist irgendwie beruhigend zu sehen, dass selbst Profis, die Tag für Tag zahlreiche Menschen zu deren Zufriedenheit bekochen, vor dem Essens-Gemäkel der eigenen Kinder nicht gefeit sind - und diesem irgendwann genauso nachgeben, wie alle anderen Eltern. Und genau wie diese können sie sich mit dem Gedanken trösten, dass die Mäkelei irgendwann ein Ende haben wird, spätestens mit der nächsten Generation. Denn wie jeder weiß: Niemand kocht so gut wie Oma.

© SZ vom 25.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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