Mitten in Ebersberg:Erbarmt euch!

Lesezeit: 1 min

Das Interesse an exotischen Reisezielen ist bei den Daheimgebliebenen groß - das Interesse an Mitbringseln, die der Gaumen nicht kennt, eher nicht

Von Korbinian eisenberger

Auch wenn es sich nicht gehört, Zeitungsinterna in die Öffentlichkeit zu tragen, sei in diesem speziellen Fall eine Enthüllung in eigener Sache verziehen: Anlass dafür ist eine exotische Schachtel mit japanischen Süßigkeiten aus Zucker und Reismehl, die über die Osterferien in der Süßwaren-Sammlung der Lokalredaktion der Ebersberger SZ gelandet ist. Es handelt sich dabei um ein pappsüßes Mitbringsel aus Japan an die Kollegen in der Redaktion.

Der Urlaub ist mittlerweile vorbei, doch manche Reisen wirken noch wochenlang nach. In diesem Fall liegt das nicht nur an den japanischen Teigwaren, die noch immer säuberlich verpackt zum Verzehr bereit liegen. Eher an einem Phänomen: Je weiter sich der Urlauber von seinem Ausgangspunkt entfernt hat, desto hartnäckiger beharren die Menschen später auf Reise-Berichte. Von Ebersberg nach Tokio sind es ziemlich genau 10 000 Kilometer Luftlinie - entsprechend hoch ist die Quote der Nachfrager: Und wie war's? Erzähl mal!

Einem Journalisten kann eigentlich nichts Besseres passieren als eine Geschichte, die großes Interesse auslöst. Anderseits ist der plötzliche Wissensdurst über Ostasien auch erstaunlich: Die Analyse der Nachrichten zeigt schließlich, dass die Daheimgebliebenen noch immer am meisten interessiert, was in ihrer Nachbarschaft und ihrer Region passiert. Mit ein Grund, warum es Lokalredaktionen überhaupt gibt.

Wenn's drauf an kommt, finden es die meisten Bayern dann eben doch daheim schöner als im exotischen Japan oder im noch exotischeren Usbekistan (dem Reiseziel einer Kollegin) - gerade jetzt, wo in Ebersberg die Vögel pfeifen und der Duft von Grillwürsten in der Luft liegt. Beim Essen ist es mit dem Interesse an der Exotik nämlich spätestens vorbei. Es bleibt die Hoffnung, dass sich irgendwann ein Kollege erbarmt und die verbliebenen Teigtaschen verzehrt - oder sie unauffällig verschwinden lässt.

© SZ vom 05.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: