Mitten in Ebersberg:Die Bahn macht Sie glücklich

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Alle jammern über Verspätungen, dabei sind diese ideal um nette Leute kennen zu lernen

Von Jessica Morof

Dieser Zug fällt aus." Diese Worte überraschen kaum einen Pendler zwischen Ebersberg und München. Auch das Prozedere ist immer dasselbe: Von Seiten der Bahn bedauert man die Unannehmlichkeiten, dankt für das Verständnis und möchte über neue Informationen baldmöglichst informieren. Von Seiten der Fahrgäste mussmutige Gesichter, denn natürlich ist das alles leeres Gefasel, das weiß jeder. Was allerdings nicht jeder weiß - offensichtlich auch nicht die Bahn - ist, welche geniale Geschäftsidee hinter diesen Unzulänglichkeiten stecken könnte. Ein Modell, das Finanzen und Image aufmöbeln könnte.

Denn was hier fehlt, sind glückliche Menschen. Das zeigen Szenen wie diese: "Bavarians are always looking so unfriendly", sagt ein dunkelhäutiger junger Mann mit Blick auf die verkniffenen Gesichter um ihn herum und setzt sich einer einheimischen Frau gegenüber. Sie lächelt ihn an; die beiden kommen ins Gespräch: erst über den Zug und mögliche Verbindungsalternativen, dann über sein Leben nach der Flucht aus Gambia nach Italien, seine Besuche in München und Ebersberg; seine Familie, ihre Familie, Jobs und Freunde. Immer wieder mischt sich ein Lachen dazwischen. Und dass die Bahn Richtung München tatsächlich irgendwann weiterfährt, nehmen sie nur noch am Rande wahr.

Eigentlich ist so ein Zugabteil also der perfekte Ort, um Kontakte zu knüpfen beziehungsweise um eine Partnerbörse einzurichten. Dass die Bahn selbst noch nicht auf diese Idee gekommen ist, verwundert. Denn der Gesellschaft fehlt es an Geld - das zeigen die steigenden Preise - und an Ansehen - das zeigt ein Blick in die Waggons. Da käme eine Kontaktbörse nach dem Motto "Bahnpartner - Hier finden Sie Singles mit jeder Menge Zeit" gerade recht. Schließlich zeigen Werbespots bekannter Börsen beständig lauter hübsche Menschen, die fröhlich in die Kamera grinsen. Ruckzuck wären Flüche und Verwünschungen nach Zugausfällen passé. Und kosten würde es die Bahn auch fast nichts: Ein gut sichtbares Plakat mit der Aufschrift "Liebe ist kein Zufall. Die Bahn bringt sie zusammen." über einem der Abteile würde ja schon reichen. Das Ergebnis wären, wenn schon keine pünktlicheren Züge, immerhin glücklichere Menschen.

© SZ vom 15.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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