Mitten in Ebersberg:Der Trick mit der Tempo-Taste

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Ein geheimer Knopf an der Fußgängerampel beschleunigt zwar nichts, sorgt aber für eine unterhaltsame Plauderei

Von Karin Kampwerth

Fußgänger fühlen sich im Straßenverkehr meistens benachteiligt. Und womit? Mit Recht. Zum Beispiel Ebersberg. Wer in der Kreisstadt zu Fuß unterwegs ist, beschwert sich nicht etwa über Kinkerlitzchen wie Kopfsteinpflaster auf den Gehwegen, das jeden höheren Absatz ruiniert. Nein, in Ebersberg hat man als Flaneur mitunter den Eindruck, um sein Leben zu laufen. So ist es kein Geheimnis, dass man in der Ulrichstraße den ohnehin nicht in luxuriöser Breite angelegten Gehweg zur Straßenseite hin keinesfalls räumlich ausnutzen sollte, weil einem sonst der Reifen eines Lkw zu einer neuen Schuhgröße verhelfen könnte. Dass sich die Zustände verbessern könnten, ist nicht in Sicht. Denn sämtliche Verkehrszählungen haben bislang immer wieder das gleiche Ergebnis gebracht: Alles im grünen Bereich - oder mit anderen Worten: Es fahren nur gefühlt viel zu viele Autos und Lastwagen durch die Stadt.

Wenigstens gibt es ein paar Fußgängerampeln, die das Leben der unmotorisierten Verkehrsteilnehmer erleichtern sollen. Doch die (gefühlte?) Wahrheit hier lautet: Wer die Ampel nutzt und den so genannten Anforderungskasten per Handauflegen betätigt, sollte viel Zeit mitbringen und im Winter vielleicht auch noch eine Thermoskanne heißen Tee. Schließlich dauert es eine halbe Ewigkeit, bis das Rotlicht die Blechlawine stoppt. Vor allem, wenn kurz vorher bereits ein Schwung Fußgänger die Straße überquert hat.

Dabei könne man dem Lichtsignal beim Ausbremsen der Autofahrer durchaus auf die Sprünge helfen, wie ein freundlicher älterer Herr erklärt, der den gehetzten Mittagspausenblick der Autorin richtig zu deuten weiß und mit geübtem Griff einen geheimen Knopf unter dem gelben Kasten drückt. Dieser, so erklärt der Mann weiter, sei eigentlich nur für Behinderte gedacht, denen man allzu langes Warten an der Fußgängerampel nicht zumuten wolle. Den Tipp habe er sozusagen aus erster Hand. Und siehe da, tatsächlich leuchtet das grüne Fußgängersymbol bald auf. Wow. Wieder was gelernt.

Zumindest bis zur Nachrecherche im Internet. Auf der Homepage des Allgemeinen Blinden- und Sehbehindertenvereins Berlin etwa ist nachzulesen, dass das mit der Tempo-Taste zur Ampelbeschleunigung ein "allgemeiner Irrtum" sei: Die Schalter seien nur für blinde oder sehbehinderte Menschen relevant, die über deren Vibrieren die Grünphase der Ampel erkennen. Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass sich die Warterei zwar nicht mit geheimen Knöpfen, wohl aber mit netten Plaudereien verkürzen lässt. Das macht die Situation für Fußgänger zwar nicht besser, aber wenigstens angenehmer.

© SZ vom 07.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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