Mitten in Ebersberg:Der "Smile- Mechanismus"

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Wie schön: ein Lächeln zum Mitnehmen am Laternenpfosten. (Foto: Anselm Schindler)

Ein trister Wintertag und nichts zu Lachen - da belehrt einen ein unbekannter Optimist eines Besseren

Von Anselm Schindler

Die Reifen der vorbeifahrenden Autos schleudern den braunen Matsch, der mal Schnee war, von der Straße Richtung Bürgersteig, er verteilt sich auf der Hose eines Fußgängers. Genervte, schlaftrunkene Gesichter passen perfekt zum nasskalten Klima im Inneren der Schuhe, wenn man morgens von der Ebersberger S-Bahn-Station kommend durch die Einkaufspassage schreitet. Gesichter, die um diese Uhrzeit eigentlich noch auf Kissen liegen sollten, um Schnarchgeräusche von sich zu geben. Man zieht den Schal bis unter die Augen, er rutscht immer wieder nach unten, die Realität ist in solchen Momenten besonders grau.

Doch dann entdeckt der aufmerksame Passant an der Ampel am Marktplatz stehend einen Zettel an der Mariensäule. Er flattert im Wind, die Schrift ist von der Ampel aus nicht zu erkennen. Einige Schritte weiter huscht ein Lächeln über das Gesicht des Betrachters. "Take a smile" - nimm dir ein Lächeln mit - steht auf dem Zettel, und es klappt, er erfüllt seine Funktion.

Am unteren Rand des Blattes sind sechs Smileys aufgezeichnet: Man kann die kleinen Zettelchen abreißen und mitnehmen. Zwei Punkte und ein Halbkreis, schön, dass sich da jemand die Mühe gemacht hat, die Tristesse zu unterbrechen, wenigstens für einen Moment. Am Montagmorgen sind noch keine Smileys abgerissen, am Dienstagmorgen fehlen schon zwei. Dann drei. Die Wirkung ist schnell verpufft, einige Meter weiter steckt man den Smiley in die Hosentasche, das Lächeln verfliegt, die Tristesse kehrt zurück. Doch dann, einige Stunden später, kramt man in der Hosentasche, auf der Suche nach einem Taschentuch, weil die Nase läuft. Da taucht der Zettel wieder auf. Der "Smile-Mechanismus" funktioniert auch beim zweiten Gebrauch.

Wer sich noch ein Zettelchen abreißen will, der wird sich beeilen müssen, die Hälfte ist schon weg. Bleibt zu hoffen, dass der Schöpfer des Smile-Zettels noch einige Blätter auf Lager hat, damit auch in den nächsten Tagen wenigstens ein paar mürrischen Gesichtern in Ebersberg ein Lächeln entgleitet.

© SZ vom 18.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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