Mitten in der S-Bahn:Späte Jagd nach Schwarzfahrern

Auch Fahrkartenkontrolleure haben ganz bestimmte Vorlieben: Manche Fahrten der S 4 nach Ebersberg sind beliebter als andere

Von Isabel Meixner

Kurz nach dem Ostbahnhof fallen sie über die Fahrgäste her. Kaum sind die Türen geschlossen, dreht sich wie in einer Laolawelle ein eben zugestiegener Mann nach dem anderen um und hält dem Nachbarn seinen Ausweis unter die Nase. Eine Ticketkontrolle. Auch die Frau, die gerade noch so unauffällig morgenmuffelig vor sich hingestarrt hat, wirkt plötzlich ganz wach: "Ihren Fahrschein bitte", sagt sie nett, aber bestimmt.

Selbst als zahlender Fahrgast wird man in diesem Moment nervös: Steckt die Jahreskarte noch an derselben Stelle im Geldbeutel wie das letzte Mal? Wann war das eigentlich? Bei dieser Frage stellt der Fahrgast irritiert fest: Die letzte Kontrolle ist wirklich schon mehrere Monate her. Genau gesagt fand sie statt, als man das letzte Mal nicht - wie jeden Morgen - mit der S 4 fuhr, die um 9.28 Uhr in Ebersberg ankommt, sondern die S-Bahn 40 Minuten später nahm. Sinnt man sich zurück, fand die vorletzte Kontrolle auch schon in der späteren der beiden S-Bahnen statt, und davor auch . . . Während also in der 9.28-Uhr-S-Bahn offenbar nie kontrolliert wird, sind die späteren Züge anscheinend der Renner bei den Kontrolleuren. So mancher Hilfsschaffner wirkt dann sogar besonders motiviert - und kontrolliert auch mal doppelt.

Warum die frühere S 4 allerdings so verpönt ist, darüber lässt sich nur mutmaßen. Die wahrscheinlichste Erklärung ist aber folgende: Kontrolleure sind halt auch nur Menschen, die gerne ein wenig länger schlafen und lieber die spätere S-Bahn nehmen. So wie der Fahrgast an diesem Tag.

© SZ vom 26.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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