Mitten in der S-Bahn:Kälteschock und Schweißausbruch

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Die alte Weisheit, wonach es kein falsches Wetter, sondern nur falsche Kleidung gebe, bewahrheitet sich beim Bahnfahren im Winter

Von Amelie Hörger

Wie gezuckert schaut die Welt aus, wenn man frierend durch die Lücke zwischen der zu tief ins Gesicht gezogenen Mütze und dem drei Kilometer langen Schal, einen kurzen Blick auf die Winterlandschaft erhaschen kann. Die Freude am Bahnhof oder an der Busstation stehend, wird jedoch schnell getrübt, wenn die Zeiger der Uhr sich stetig vorwärtsbewegen, weit und breit jedoch kein Transportmittel in Sicht ist. Denn trotz Wintermantel, Handschuhen, Mütze und dem wie angesprochen großem Schal, zieht die Kälte nach einigen Minuten auch durch das dickste Mantelfutter.

Da fährt sie ein, die Bahn, der so heiß herbeigesehnte Ort der Wärme. Im Inneren dann erst einmal den Schnee von den Klamotten schütteln. Murrend beschweren sich die anderen Passagiere, weil die Mütze nasse Tropfen ringsum verteilt. Gerade erwischt man noch einen Sitzplatz, auf den es sich, mit der zusätzlichen Breite des Wintermantels zu manövrieren gilt. Alles wie es sein soll, doch drei Stationen später wird es dann doch recht warm unter den sechs Schichten.

Den Anorak mit begrenzt viel Platz und eingeschränkter Bewegungsfreiheit von sich zu werfen, scheint ein Ding der Unmöglichkeit. Langsam wird sich aus den Ärmeln geschält. Stück für Stück, dabei immer den eigenen Ellbogen im Blick, damit der Sitznachbarn kein blaues Wunder erlebt.

Ist dies geschafft, besteht weiterhin ein logistisches Problem: Wohin mit dem Klamottenturm? Der eigene Schoß ist eine Möglichkeit, bei der man in Kauf nimmt, dass der nasse Mantel auf der bislang noch trockenen Hose Platz findet. Alternativ kann das Ungetüm auch als Sitzunterlage genutzt werden, doch oftmals nimmt der Mantel so viel Platz ein, dass auch der Nachbar noch Teile der provisorischen Auflage nutzt.

Gebraucht hat man für diesen "Tanz der Winterklamotten" fast fünf Stationen. Zusammengenommen mit den drei Haltestellen, die man benötigt um festzustellen, dass die Hitze unter Jacke, Schal und Co nicht mehr auszuhalten ist, kann jetzt die verbleibenden zwei Stationen die angenehme Temperatur genossen werden. Schneller als man denkt, ist dann das Ende da. Im letzten Moment wird die Jacke an sich gerissen und ins Freie gestürmt um sich dort frierend alles wieder anzuziehen. Schicht für Schicht.

© SZ vom 15.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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