Mitten in der Region:Micky Maus trifft Monster

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Ein Einkauf in einem Baumarkt liefert Rüst- und Werkzeug fürs Leben

Glosse von MICHAEL MOROSOW

Kinder lieben es, im Einkaufswagen sitzend durch die Flure von Läden und Großmärkten geschoben zu werden. So auch der kleine Bub, der mit seinem Vater in einem Baumarkt unterwegs ist, seinen Kopf lässig an eine Großpackung Küchenrollen gelehnt. Ein lustiges Micky-Maus-Motiv ziert die Schutzmaske, die er sichtlich gerne trägt, obwohl er das aufgrund seines jungen Alters gar nicht müsste. Sein Erzeuger gefällt sich mit schmucklosem FFP 2-Standard über Mund und Nase.

Gelassen hört er sich Einkaufstipps seines Sohnes an, freundlich weist er jeden zurück, so auch den zum Erwerb einer Tischkreissäge. Der kleine Mann ist wohl zur Welt gekommen, als das Coronavirus bereits seinen Schrecken verbreitet hatte, Mund-Nasenschutz ist für ihn das Normalste der Welt. So beeindruckt ihn eine rote FC-Bayern-Maske nicht sonderlich, die ihm entgegenkommt, und auch weiß-blaue Rauten über Nase und Mund lässt er ungerührt an sich vorbeiziehen.

Dann aber, in Höhe der Toilettendeckel, verlässt der Dreikäsehoch mit einem Ruck seine bequeme Küchenrollen-Lage, seine Augen werden groß und größer. Mit Entsetzen schaut er einem zähnefletschenden Monster in die Fratze, das ihm entgegen kommt. Der kleine Maskenprofi ist tief beeindruckt, Monster waren ihm bis dahin offenbar noch nicht untergekommen. In wenigen Jahren zwar wird der Kleine an Halloween vielleicht selbst als bluttriefender Mördergeselle von Haus zu Haus ziehen und die Leute mit der Losung "Süßes oder Saures" erpressen. Aber heute ist er noch zu klein für solche Wagnisse.

Sein Vater hat vom kurzen Aufeinandertreffen von Micky Maus und Monster leider nichts mitbekommen, weil er gerade durch ein Telefonat abgelenkt war. Und so verpasste er auch den heroischen Moment seines Sohnes. Nachdem das Monster, vielleicht nur für ihn zur Beruhigung, den furchterregenden Mundschutz für wenige Augenblicke vom Gesicht genommen hatte und das freundliche Gesicht eines jungen Mannes zum Vorschein gekommen war, ließ sich auch der Bub nicht lange lumpen und streifte seine Micky-Maus-Maske ab. Der Kerl sollte ruhig sehen, mit wem er es zu tun hat. Es ist anzunehmen, dass der Knirps bereits bis zum nächsten Fasching die Monsterreife erlangt haben wird. In jedem Fall sollte ihm sein Vater keine Kreissäge kaufen.

© SZ vom 09.11.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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