Mitten in Baldham:Wir haben den Längsten

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Bislang haben die Baldhamer ihre Karl-Böhm-Straße für einen gigantischen Parkplatz gehalten. Damit ist jetzt wohl Schluss

Von Wieland Bögel

Viele Orte können sich eines Superlativs rühmen. Was der einen Stadt der schiefste Turm, ist der anderen vielleicht die größte Burg, der tiefste See oder die höchste Brauereiendichte. Auch die Großgemeinde Vaterstetten kann einen, wenn auch kaum bekannten, Superlativ ihr Eigen nennen. Denn dort gibt es den wahrscheinlich längsten Parkplatz, vielleicht nicht der Welt, aber doch der näheren und weiteren Umgebung. Dieser erstreckt sich über nahezu einen Kilometer vom Baldhamer Bahnhof bis zur Wasserburger Landstraße und ist nach einem berühmten Dirigenten benannt, der in Baldham gelebt hat.

Die Baldhamer schätzen ihren Karl-Böhm-Parkplatz aber nicht nur wegen der zahlreichen Stellplätze, sondern auch, weil er den Anliegern Gelegenheit gibt, ihrem einzigartigen Hobby zu frönen: der Ertüchtigung ihrer Grundstücke. Das ganze Jahr hindurch, sommers wie winters, ob bei Regen, Sonne oder Schnee, bleibt neben dem langen Parkplatz kein Stein auf dem anderen. Ständig wird saniert oder abgerissen, neu gebaut, ausgebaut und umgebaut - oft sogar alles gleichzeitig. Was aber eben nur möglich ist, wenn man neben einem großen Parkplatz wohnt, denn dorthin weichen die Baustellen größtenteils aus. Die Grundstücke wären viel zu klein, um etwa den Betonmischer abzustellen, den Kran aufzubauen oder einfach nur ein paar Paletten Baumaterial wochen-, wenn nicht monatelang zu lagern. Auf einer Straße, die ja dem Verkehrsfluss dienen soll, ginge das alles gar nicht.

Nun gibt es aber einige, die finden, der Karl-Böhm-Parkplatz solle genau das werden: eine Straße nämlich. Schließlich wäre diese die schnellste Verbindung zwischen dem Bahnhof und der Wasserburger Landstraße, ein Verkehrsweg an dieser Stelle könnte besonders im morgendlichen und abendlichen Berufsverkehr einige Zeitersparnis mit sich bringen. Offenbar hat man bei der Gemeinde ein offenes Ohr für solche außergewöhnlichen Ideen und kurzerhand einen Pilotversuch gestartet. Seit einigen Tagen ist das Parken auf dem gesamten Platz verboten, und tatsächlich bemerkt der Pendler eine nie gekannte Beschleunigung des Arbeitsweges, auf dem man sich bislang zwischen parkenden Autos, Baumaschinen, Zementsäcken und Ziegelsteinhaufen bestenfalls in Schrittgeschwindigkeit vorantasten musste. Doch leider steht der Rausch der Geschwindigkeit in Sachen Vergänglichkeit allen anderen Räuschen in nichts nach - spätestens am Montag ist wieder Schluss damit. Dann wird der Parkplatz einige Wochen lang neu geteert und anschließend wieder seiner angestammten Bestimmung übergeben. Das mag mancher bedauern, aber immerhin kann man sich ja, während man sich einen Weg zwischen Baumaschinen, Baumaterial und parkenden Autos sucht, damit trösten, dass man das auf einem Superlativ tut: dem wahrscheinlich längsten Parkplatz der ganzen Gegend.

© SZ vom 14.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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