Mitten in Aßling:Wenn die Schnecke schmeckt

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Ähnlich wie der "Freud'sche Versprecher" bringt der Verhörer eine Familie zum Lachen

Kolumne von Nathalie Stenger

Es gibt Momente, da ist der Mund einfach schneller als das Hirn. Oder das Ohr flinker als der Geist. Wie neulich im Garten des Großvaters, als man sich mit diesem über brandneuen Klatsch und Tratsch in der Gemeinde unterhalten hat. Es geht gerade um die kürzlich eingezogenen Nachbarn, da fällt dem ebenfalls anwesenden Cousin auf einmal siedend heiß ein, dass er später unbedingt noch die Eierstöcke in das Rohr schieben muss. Das Gespräch geht entspannt weiter - nein, die Nachbarn hätten sich noch nicht vorgestellt - der Kopf braucht anscheinend eine Weile, bis er verarbeitet, was er da eben zu hören bekommen hat. Doch endlich kann der Körper reagieren, es bilden sich erste unsichere Worte: "Bitte was muss in den Ofen?" Ganz offensichtlich hat dröhnende Musik bereits einiges an Haarsinneszellen im Außenohr kaputt gemacht. Der Opa hat es aktuell sogar noch schwerer, sorgen Corona-Abstände doch dafür, dass gefühlt jeder zweite Ton auf der Hälfte des Weges verloren geht, er hat den Einwurf akustisch schon grundsätzlich nicht mitbekommen. Die Aufklärung erfolgt schnell und unter lautem Gelächter: Es gehe nicht um weibliche Geschlechtsorgane, so der backende Verwandte, sondern um einen Kuchen, die sogenannte Eierschnecke.

Ein Verhörer wie dieser, ein klassisches Phänomen in einer lauten Welt, schafft es gleich nach dem "Freud'schen Versprecher" auf die Liste alltäglicher Kuriositäten. Auch bekannt unter "Lapsus linguae" ist letzterer gerade in einer komplexen Sprache wie dem Deutschen häufig anzutreffen.

Unter anderem in der Schule - an diesen Moment erinnert man sich gerne amüsiert zurück - als ein Mitschüler in der Unterstufe beim Vorlesen das Wort "Orgasmus" statt "Organismus" ausgesprochen hatte. Wenngleich die Hälfte der Anwesenden noch nicht wusste, um was für einen Begriff es sich hier eigentlich handelt - der Hinweis der Lehrerin, man spreche oft genau das aus, woran man gerade denke, wird wohl den meisten für die Ewigkeit im Gedächtnis bleiben. Vielleicht ist das der Grund, warum so manche der damals Beteiligten selbst heute noch bei jeglichem auch nur leicht biologisch angehauchten Schriftstück besondere Vorsicht walten lassen - und man sich seiner Ohren einfach nie mehr sicher sein kann.

Apropos: Der Käsekuchen aus Opas Garten heißt nicht "Eierschnecke", sondern "Eierschecke". Ohne "n", selbst das wurde falsch verstanden, ergab eine im Nachhinein durchgeführte Recherche. Es handelt sich hierbei um einen sächsischen Käsekuchen mit Schichten aus Eiern, Quark und Butter. Sehr fein.

© SZ vom 14.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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