Mitten im Biergarten:Die wollen nur kuscheln

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Wahrscheinlich sind die Wespen die missverstandenste Tierart: Ihre liebevollen Annäherungsversuche enden meist mit Gewalttaten seitens der Menschen

Von Jessica Morof

Sanft schmiegt sich das kleine Tierchen an die Wade; die feinen Härchen kitzeln auf der Haut. Die will nur kuscheln, würde man sich bei den meisten anderen kleinen Tieren doch denken. Aber nicht so bei diesem. Denn bei dieser speziellen Spezies reagieren die meisten Menschen vielmehr panisch auf die liebevollen Annäherungsversuche. Obwohl sie vielleicht nur kleine, missverstandene Geschöpfe sind, diese Wespen. Vielleicht wollen sie nur spielen - aber keiner macht mit. Und das frustriert sie.

Eine richtiggehende Kontaktbörse, in der die gelbschwarzen Insekten versuchen, Anschluss an den Menschen zu finden, sind an heißen Tagen Biergärten wie beispielsweise der am Forsthaus St. Hubertus im Ebersberger Forst. Hunderte Wespen schwirren dort scheinbar zwischen den Biertischen umher, um - so wirkt es - Freunde zum Spielen und Körper zum Kuscheln zu finden. Dass sie damit nur Panik verbreiten - dafür können sie ja nichts.

So probierten jüngst an einem Tisch einige Sechsbeiner, sich einer Großfamilie auf ein kühles Bier anzuschließen. Immer wieder versuchten die fünf kontaktfreudigen Insekten, dem Zuprosten, dem Gläsertauschen und der allgemeinen Geselligkeit beizuwohnen - die schließlich sonst bei den Bewohnern des Freistaats so großgeschrieben wird. Doch es nahm kein gutes Ende, zumindest nicht für die meisten der Insekten. Denn sobald eines von ihnen auch nur einmal ganz bescheiden an dem kühlen Bier zu nippen versuchte, so bestrafte der Familienvater sie dafür direkt - mit der Fliegenpatsche. Und lachte dabei noch voller Schadenfreude, wenn er sie erwischte. Darauf reagierten die anderen Insekten verständlicherweise etwas ungehalten und schwirrten aufgebracht um die Köpfe seiner Familienangehörigen: Wespe um Wespe; Kind um Kind quasi.

Einige Tische weiter wagte sich eines der haarigen Geschöpfe sogar besonders weit vor und machte es sich in der Armbeuge einer Biergartenbesucherin bequem. So gut schien es der Wespe dort zu gefallen, dass sie gar nicht abzuschütteln war. Liebe auf den ersten Kontakt sozusagen. Ganz anders sah das die Dame, die mit panischem Gesichtsausdruck auf ihren Mann zulief und rief: "Was soll ich machen? Was soll ich nur machen? Sie fliegt gar nicht mehr weg!" "Ja wegschlagen halt", so die ruppige Antwort des Mannes, der er sofort Taten folgen ließ. Dabei drückte er sich eine halbe Zwiebel auf seinen Arm, der bereits von einem früheren Zusammenstoß mit einer Wespe zeugte. T ja, möchte man ihm beinahe sagen: Gewalt erzeugt eben Gegengewalt.

© SZ vom 27.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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