Mission 2030:Die Vision lebt

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Vor zehn Jahren beschloss der Landkreis, bis 2030 frei von fossilen Energieträgern zu sein. Damit es dazu kommt, muss viel passieren. Nächstes Ziel ist die Übernahme der Stromnetze durch die Gemeinden

Von Anselm Schindler, Ebersberg

Das "grüne Herz im Osten Münchens" - so lautete die Vision des Beschlusses, den der Ebersberger Kreistag im Juli 2006 verabschiedete. Das Ziel: Den Landkreis bis 2030 unabhängig von fossilen und anderen endlichen Energieträgern machen. Her mit der grünen Energie, das war die ambitionierte Mission. Heute, im Jahr 2016, ist Ebersberg von diesem Ziel noch weit entfernt, wenn auch näher dran, als viele andere Landkreise in der Region. Wie weit es noch bis zur Zielgeraden ist? "Sehr weit", sagt Hans Gröbmayr, der als Klimaschutzmanager des Landkreises seit einigen Jahren im Zentrum der regionalen Energiewende steht.

Bei der Stromversorgung werde man in den kommenden Jahren die 30-Prozent-Marke knacken, sagt Gröbmayr. 70 Prozent fehlen dann noch bis zu dem Punkt, an dem im Landkreis ausschließlich regenerativer Strom aus der Steckdose kommt. Bei der Heizenergie sei man inzwischen bei knapp 20 Prozent regenerativem Anteil angelangt, beim Verkehr sehe es noch schlechter aus, sagt Gröbmayr. "Die Zeit der Ausreden ist vorbei!", sagt Gröbmayr, es fehlt ihm und seinen Mitstreitern im Landratsamt und in den Energiegenossenschaften des Landkreises nicht an Pathetik.

"Meilensteinplan" gehört zu einem der Schlagworte, die dabei helfen sollen, dass aus der Vision vom grünen Ebersberg als Vorreiter der Energiewende irgendwann Realität wird. Der Meilensteinplan wird gerade von der REGE, der Energieagentur des Landkreises ausgearbeitet, bis zum Sommer soll er stehen, dann dem Kreistag vorgelegt werden. Viel ist noch nicht bekannt, nur ein Eckpunkt steht bereits fest: die Kommunalisierung des Stromnetzes.

Bundesweit legen rund 20 000 Konzessionsverträge fest, wer für die Stromnetze zuständig ist. Ein Großteil der bestehenden Konzessionsverträge endet als Folge ihrer auf 20 Jahre begrenzten Laufzeit gegenwärtig und in den kommenden Jahren. Auch in den Landkreisgemeinden laufen die Verträge demnächst aus, deshalb beschäftigt sich die REGE mit der Frage, wer dann die Stromnetze verwalten soll. Geht es nach der REGE, könnten die Gemeinden des Landkreises die Netze aufkaufen. Um diese weitreichende Entscheidung fällen zu können, wartet man im Landratsamt und in den Rathäusern derzeit noch gespannt auf eine Wirtschaftlichkeitsprüfung, durchgeführt von Rödl&Partner, einer Beratungsfirma aus Nürnberg.

Die Ergebnisse der Wirtschaftlichkeitsberechnung sollen Mitte April den Mitgliedern der REGE vorgelegt werden, dann steht fest, ob eine Übernahme der Netze finanziell möglich ist. Derzeit gehören die Konzessionen im Landkreis in fast allen Gemeinden dem Bayernwerk, einem Tochterunternehmen des Energieriesen Eon. Fällt die Wirtschaftlichkeitsprüfung positiv aus, könnten am Neujahrstag des Jahres 2021 die Kommunen die Netze übernehmen. Dafür haben die Gemeinden, deren Verträge schon 2018 enden würden, ihre Verträge mit den Bayernwerken um zwei Jahre verlängert.

2500 Kilometer umfasst das Stromnetz im Landkreis, zur Strominfrastruktur zählen zudem mehr als 900 Trafostationen. Bei der Übernahme dieser Strukturen geht es um viel Geld: Eine hohe zweistellige Millionensumme, genauer will Gröbmayr die Kosten nicht beziffern. Auch bei den Bayernwerken ist nicht mehr zu erfahren: Dafür sei es "noch viel zu früh', sagt Maximilian Zängl, Pressesprecher des Unternehmens. Sicher ist: Alle, oder zumindest fast alle 21 Landkreisgemeinden müssten im Falle der kommunalen Übernahme mitziehen. "Es reicht schon, wenn eine größere Gemeinde sagt, dass sie nicht mitmacht, dann scheitert das Projekt", sagt Gröbmayr. "Das wird dann zu unübersichtlich."

Wenn diese Wirtschaftlichkeitsberechnung vorliege, müsse sich jede Gemeinde entscheiden: "Wollen sie mit der REGE als Partner die Konzessionen in einem landkreisweiten Energieversorgungsunternehmen übernehmen?", sagt Gröbmayr. Zunächst müssten die Konzessionen aber erst einmal öffentlich ausgeschrieben werden, so will es der Gesetzgeber. "Wahrscheinlich wird es so aussehen, dass die REGE, sich ein Unternehmen als Partner sucht und sich mit diesem Partner zusammen auf die Netzte bewirbt", so Gröbmayr. Von potenziellen Partnern habe es sogar schon Anfragen gegeben, "aber auch denen mussten wir sagen, dass wir noch abwarten". Den Begriff Abwarten hört man von Gröbmayr häufig. Immerhin: "Wir erwarten schon, dass die Kommunalisierung funktionieren wird", sagt er. "sonst hätten wir ja die Wirtschaftlichkeitsberechnung nicht in Auftrag gegeben."

Das EON-Umspannwerk in Vaterstetten ist ein Dreh- und Angelpunkt der regionalen Energieversorgung. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Gröbmayr saß selbst im Glonner Gemeinderat, als Glonn die Konzession für das Stromnetz an die Bayernwerke vergab. Hat man damals Fehler gemacht? "Man hat da noch nicht so weit gedacht, auch den Wert, den ein Netz vielleicht ein paar Jahrzehnte später hat, hatte man nicht im Blick", sagt er. "Natürlich auch nicht, dass wir die Energieversorgung irgendwann doch wieder dezentral denken werden." Dezentrale Lösungen für ein globales Problem: "Die Energiewende wird in den Kommunen entschieden", sagt Gröbmayr.

Die Kommunalisierung der Netze ist nur eine weiterer Etappe Richtung Zielgerade. Dass der Landkreis bis 2030 zu hundert Prozent mit erneuerbaren Energien versorgt werden wird, klingt immer mehr nach einer Utopie statt einer Vision, oder? Der Klimaschutzmanager runzelt die Stirn. "Früher oder später werden wir es schaffen", sagt er. "Weil wir es müssen."

© SZ vom 04.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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