Meta-Theater:Tanz ohne Musik und Sprache als Folter

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Nach subtilen Körperpotenzialen sucht die japanische Tänzerin Hiroyo Kitao mit ihrer minimalistischen Performance. (Foto: Veranstalter)

In Moosach ist bis Weihnachten ein spannendes Programm voller Experimente zu bestaunen

Von Anja Blum, Moosach

So, wie sich nachts die Sinne schärfen, man in der Dunkelheit zu sehen und das kleinste Geräusch wahrzunehmen beginnt, so funktionieren auch die Performances von Hiroyo Kitao: Durch größtmögliche Reduktion wird die Aufmerksamkeit geschärft. "Körper-Geschehen" nennt die Japanerin ihre Kunst, mit der sie am Samstag, 15. September, um 20 Uhr das Meta-Theater in Moosach bespielt.

Ihre Solo-Performance ist eine Welt ohne Worte, ohne Musik, ohne große Lichteffekte oder aufwendige Kostüme: Hiroyo Kitao tanzt in Stille, aus ihrem Inneren heraus, völlig frei und expressiv. "Sie hat keine festen Schrittfolgen im Kopf, sondern nur eine gewisse Struktur und ihre eigenen Assoziationen", erklärt Axel Tangerding, der Chef des Meta-Theaters. Der Effekt aber sei umso größer: Durch die minimalistische Darbietung an der Grenze des Wahrnehmbaren würden Bilder transportiert, Gefühle geweckt, Geschichten erzählt - vielleicht besser als mit tausend Worten. "Man muss sich eben nur darauf einlassen", sagt Tangerding und lacht. Kontemplation, also geistige Versenkung, sei hier der Schlüssel.

Ihre Wurzeln hat die Kunst von Hiroyo Kitao im japanischen Tanztheater Butoh - das laut Tangerding wiederum vom deutschen Ausdruckstanz abstammt. Insofern sei diese Kunstform gar nicht so fremd, wie mancher vielleicht meine. Einfließen lässt die Künstlerin aber auch ihr Wissen aus der medizinischen Forschung - 1993 erhielt Kitao einen Doktortitel für ihre Forschungsarbeit zur Beziehung zwischen Arteriosklerose und Immunologie - sowie aus verschiedenen Formen der Körperarbeit, der Bio-Dynamics und der Kinesiologie. Inspiriert wurde Kitao auch von Pina Bauschs Wuppertaler Tanztheater, das sie als Physiotherapeutin begleitete.

Mit einer Art Kontrastprogramm zum "Körper-Geschehen" geht es im Meta-Theater weiter am Samstag, 29. September: Nach der Stille kommt die "Sprechfolter". Lea Barletti und Werner Waas sind zu Gast mit Peter Handkes Stück "Kaspar", in dem der Autor die Zivilisation in Frage stellt. Ist sie wirklich eine Errungenschaft? Oder wird Kaspar nicht vielmehr per Unterricht aus einem Paradies vertrieben? Weder Tanz, noch Sprache, sondern Musik steht dann am Samstag, 13. Oktober auf dem Programm: das "Rousilvo Requiem" von Dine Doneff. Der mazedonische Multiinstrumentalist ist in einem griechischen Dorf nahe der Grenze aufgewachsen - wo die Kultur seiner Familie als anti-hellenistisch verpönt und verboten war. Doch Doneff sammelte jahrelang heimlich die Melodien der Alten und komponierte nun aus diesen eine Balkan-Jazz-Folk-Oper, eine Requiem auf das längst zerstörter Bergdorf seiner Mutter. Einblicke in die 600 Jahre alte Kunst des Nô Theaters gibt Stammgast Akira Matsui am Mittwoch, 31. Oktober, mit einem klassischen Tanz und einem Einakter von Samuel Beckett.

Spannend könnte auch der 10. November werden, denn da beteiligt sich das Meta-Theater an einer "künstlerischen Intervention" zur kritischen Lage in Europa: Wie an Hunderten anderen Orten wird in Moosach an diesem Tag ein neues "Manifest" zur Ausrufung der europäischen Republik verlesen und anschließend diskutiert. "Wir sind nicht politisch, stehen als Künstler aber für einen offenen Raum und gegen Angstmacherei", sagt Tangerding.

Tradition hat mittlerweile, dass das Meta-Theater auch Vorstellungen für Familien anbietet: Unter dem Titel "Der Mond zu Gast" präsentieren zwei Schauspielerinnen am Mittwoch, 28. November, moderne Tiergeschichten aus Japan "zum Nachdenken und Schmunzeln". Um Kommunikation und Emotionen geht es in der Performance "Faden", die am Samstag, 1. Dezember, zu sehen ist. Zwei Tänzerinnen - eine davon gehörlos - haben ein visuelles Theaterstück mit Zirkuselementen, Tanz und Gebärdensprache entwickelt. Verwendetes Material: farbige Gummischnüre, ein rotes Kletterseil sowie Treibhölzer aus der Isar.

Beginn ist im Meta-Theater Moosach jeweils um 20 Uhr, nur die Familienvorstellung startet bereits um 18 Uhr. Karten und Informationen gibt es telefonisch unter (08091) 3514 oder per Mail an info@meta-theater.com.

© SZ vom 14.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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