Meister der Kalligrafie:Wie es ihm gefällt

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Obwohl bereits 88 Jahre alt, arbeitet der Anzinger Künstler Thomas Abold nach wie vor schöpferisch. Nun steht eine Ausstellung in Slowenien mit allerhand neuen Werken bevor

Von Anja Blum

Das könnte meine letzte Ausstellung sein", sagt Thomas Abold - und man nickt bedauernd-verständnisvoll, denn der Anzinger ist mittlerweile 88 Jahre alt. Doch dann grinst er und schiebt hinterher: "Aber ich glaub' nicht dran. Es juckt mich einfach immer noch." Abold ist eben ein Schelm, im Leben genauso wie auf dem Büttenpapier.

Thomas Abold hat sein ganzes Leben der Kunst gewidmet, hat stets gezeichnet, gemalt, gedruckt und gelehrt, sein Hauptmetier ist die Kalligrafie. Er sei "zum "Schreibmenschen geboren", sagt der Anzinger, was umso erstaunlicher ist, als dass er ohne rechten Arm auf die Welt kam. Doch einen Bonus wollte der renommierte Künstler und Grafiker deswegen nie in Anspruch nehmen, mitleidige Kommentare verbittet er sich.

An der Kunstschule in Augsburg und später in München hat Abold einst eine grundsolide Ausbildung als Maler und Grafiker genossen, die Schriftgrafik hat ihn stets ernährt. Sieht man sich Urkunden an, hochoffizielle Blätter, die Abold geschrieben hat, glaubt man kaum an Handarbeit: Gestochen scharfe, wunderschöne Lettern stehen hier in Reih und Glied, man meint, kein Drucker könnte es besser. Sogar eine eigene Schrift hat der Anzinger erfunden, er nennt sie scherzhaft eine "Jugendsünde": die Abold Kursiv. Ausladend schwungvoll, elegant und zugleich akkurat geometrisch kommt sie daher - und gleicht darin Abolds freiem Schaffen ganz erstaunlich. Denn auch dieses speist sich aus dem Spannungsfeld zwischen fließender Bewegung und strenger Form, mal in die eine, dann wieder in die andere Richtung tendierend. "Diese Freiheit nehm' ich mir", sagt Abold.

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(Foto: Christian Endt)

Auch wenn er konkrete Themen wie die "Ballettprobe" im Sinn hat, schweift der Anzinger Künstler Thomas Abold gerne ab in die Abstraktion.

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(Foto: Christian Endt)

Manche der Kalligramme von Thomas Abold sind gegenstandslos - aber nicht weniger spannend.

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(Foto: Christian Endt)

Auch klassische Typografie-Entwürfe zählen zu seinem Oevre.

In Slowenien, genauer gesagt in Ljubljana, stellt Thomas Abold nun im Oktober aus, in der medizinischen Fakultät der dortigen Universität. Die Einladung dorthin beruht auf persönlichen Freundschaften, geschlossen über Jahrzehnte in zahllosen Urlauben. Doch wer nun meint, dass Abold für die Ausstellung lediglich aus seinem reichen Lebensfundus an Werken schöpft - in seinem Atelier stapeln sich die Blätter nur so -, der irrt. Zwar nimmt der 88-Jährige auch ein paar ältere Arbeiten mit, schließlich sollen die Gäste einen umfassenden Einblick in sein Schaffen erhalten, doch das Kernstück der Schau werden viele neue Werke sein.

Zwar ist Abold der Weg in sein Atelier im zweiten Stock mittlerweile etwas beschwerlich, doch er nimmt ihn nach wie vor sehr gerne auf sich. Denn dort oben ist sein Reich, wo er sich dem widmet, was er wohl am liebsten macht: Ausgehend von der Linie Formen erstehen zu lassen, die sich dann zu einem Thema fügen. "Die Lust am Gestalten ist immer noch groß", sagt er. Und so entsteht weiter Blatt um Blatt. Ihnen allen gemein sind eine ausgewogene Komposition und ausgefeilte Bildsprache, Abold kreiert aus Linien und Flächen Rundes oder Eckiges, Verträumtes, Surreales oder Dynamisches - ganz wie es ihm gefällt. "Die Laune spielt immer eine Rolle", sagt er, lacht - und zeigt auf eine Arbeit namens "Mit mir nicht".

"Der General". (Foto: Christian Endt)

Der erste Werkkomplex, wenn man so will, sind Abolds wohlkomponierte Drucke, Linolschnitte, die mit einer minimalistischen Schwarz-Weiß-Optik und vielen filigranen Details beeindrucken. Eine "Knochenarbeit" seien diese feinen Linien, sagt Abold. Doch er beherrscht diese Schneidekunst meisterlich, genauso wie das Spiel mit Positiv und Negativ. Die Motive sind oftmals etwas skurril, führen den Betrachter hinein in eine Welt der Fantasie, des Humors und auch der Erotik. Auf einem Bild greifen gleich drei Menschen ineinander, ein anderes zeigt eine Gitarristin mit vollen, gespitzten Lippen, wieder ein anderes erscheint völlig abstrakt - für Abold ist es Musik, "eine Sinfonie".

Und dann sind da die der Kalligrafie zuzuordnenden Blätter: sanfte, reduziert-abstrakte Darstellungen, mit dem Pinsel scheinbar ganz spontan hingeworfen, verdünnte Gouache ermöglicht diffizile Schattierungen von Hellgrau bis Tiefschwarz. Der Rest ist weiße Auslassung, bewusste Reduktion. Eindringlichkeit und zugleich große Leichtigkeit versprühen diese Werke - allerdings steckt auch hinter ihnen einiges an Können und Disziplin, jeder Strich ist perfekt gesetzt. Und: "Man darf auf keinen Fall verkrampfen", erklärt Abold, "sonst wird das nichts". Titel tragen die Kalligramme meist keine, so bleibt dem Betrachter überlassen, was er in diesen poetischen Schwüngen des Pinsels erkennen mag.

Thomas Abold (88) hat sein ganzes Leben der Kunst gewidmet, hat stets gezeichnet, gemalt, gedruckt und gelehrt, sein Hauptmetier ist die Kalligrafie. An ein Aufhören denkt der Anzinger noch lange nicht. (Foto: Christian Endt)

Eine unwiderstehliche Kombination aus fließender Bewegung und sorgsam abgezirkelten Formen bieten die neusten Arbeiten des 88-Jährigen: feine, bunte Illustrationen, mal figürlich, mal gegenstandslos, oftmals irgendwo dazwischen. Und auch die Techniken fließen hier ineinander, Abold verwendet Aquarell und Tempera, mal zeichnet er akkurat vor, mal schwingt er den Pinsel ganz frei, mal lässt er die Farbe etwas verlaufen. Seine Themen schöpft Abold aus dem Leben, da sticheln die "Spötter", dort stehen sich die "Rivalen" gegenüber, gerne spießt der Anzinger das Allzumenschliche auf. Doch auch in der Kulturgeschichte bedient er sich, man kann mit ihm "Orpheus" bedauern, dem "Homerischen Gelächter" lauschen und die "Platonische Akademie" besuchen, obendrein werden dem Betrachter allerhand Fabelwesen kredenzt.

Vieles hat sich also inzwischen angesammelt in Abolds Atelier, bereits gestaltete Blätter und Linolplatten stapeln sich allüberall. Höchste Zeit, mal wieder Ordnung zu schaffen, meint der 88-Jährige - doch nun muss er ja erst einmal seine Ausstellung in Ljubljana bestücken. Und wer weiß, was als nächstes kommt. "Ich müsste wohl tausend Jahre alt werden, so viel Arbeit wartet auf mich", sagt er und lacht.

© SZ vom 02.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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