Laubholzbockkäfer:Der Schädling rückt näher

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Der gefürchtete Laubholzbockkäfer hat die Landkreisgrenze erreicht. Betroffene und Fachleute fordern ein verschärftes Vorgehen, Vaterstettens Bürgermeister sieht die Autobahn als Schutzschild.

Von Korbinian Eisenberger

Noch ist es nur ein Modell, verschlossen in einer Holzkiste: Lange geschwungene Fühler und sechs Beinchen ragen aus dem kräftigen schwarzen Leib mit den weißen Flecken, abgedeckt mit einer Glaswand. Am Dienstagabend kamen die Gemeinderäte des Vaterstettener Umweltausschusses dem asiatischen Laubholzbockkäfer wohl so nahe wie noch nie. Thomas Eberl vom Amt für Landwirtschaft und Forsten hatte gerade eine Schatulle mit einer täuschend echten Nachbildung des Laubbaumschädlings durch den Sitzungssaal gereicht. Der Pflanzenschutzexperte wollte damit auch dem letzten Zweifler deutlich machen: Der vier Zentimeter große Käfer hat die Grenzen der Gemeinde längst erreicht.

Die Ausbohrlöcher eines Laubholzbockkäfers. (Foto: Florian Peljak)

Ob er sie bereits überschritten hat, das ist die große Frage. Konkrete Anhaltspunkte dafür gibt es noch nicht. Doch nachdem vor kurzem die Quarantänezone in der Nachbargemeinde Haar auf die Ortsteile Salmdorf und Ottendichl erweitert wurde, rückt die Bedrohung den Vaterstettenern immer näher. Dass die Lage ernst ist, machte Eberl den Gemeinderäten deutlich. "Es reicht jetzt nicht mehr, den Käfer zu bekämpfen", sagte Eberl. "Er muss ausgerottet werden."

Die Larven der Käfer, die über mangelhaft kontrolliertes Verpackungsholz aus China eingeführt werden, nisten vorzugsweise unter der Rinde von Ahornbäumen, Rosskastanien und Birken. In den USA entstanden durch ihn Schäden in dreifacher Millionenhöhe. Hierzulande wurden bis dato vier Fälle entdeckt, darunter Feldkirchen bei München. Im Münchner Osten wächst deshalb die Unruhe. Es wurden sogar Bäume abgeholzt, bei denen kein Befall nachgewiesen war. Im Umkreis von etwa 20 Kilometern darf kein Holz mehr aus dem Gebiet geschafft werden. Mittlerweile wurde die Zone zum dritten Mal vergrößert. Sie umfasst auch Weißenfeld, das zur Gemeinde Vaterstetten gehört.

Stefan Großmann, der in Vaterstetten eine Kompostanlage betreibt, darf deshalb keine Gartenabfälle oder Schnitthölzer mehr aus Weißenfeld abholen. Die Ladungen werden seit mehr als einem Jahr nach Feldkirchen gebracht. Dort werden sie kleinteilig zerhäckselt und zu Hackschnitzel verarbeitet - die Larven und Käfer getötet. Sollte die Quarantäne künftig Vaterstetten einschließen, dürften auch dort keine Hölzer mehr die Gemeinde verlassen.

Die Kompostanlage Großmann müsste dann mit ihren Häckslern lediglich besonders akribisch zu Werke gehen. Für andere Betriebe, Landwirte, Gärtner und Waldbesitzer ist die Bedrohung von weitaus größerem Ausmaß. Josef Ziegltrum, der eine Gärtnerei in Vaterstetten besitzt, befürchtet etwa Umsatzeinbußen von bis zu 50 Prozent bei den Baumschulwaren, sollte Vaterstetten zur Quarantänezone erklärt werden. Versicherungen sehen bei "höherer Gewalt", wie der asiatische Schädling eingestuft wird, keinen Schutz vor.

Ziegltrum appelliert deshalb an Bürgermeister Georg Reitsberger (FW): "Er als Landwirt weiß doch, wie man mit solchen Seuchen umzugehen hat." Der Kampf gegen den Käfer gehöre breiter angelegt. Reitsberger sieht das anders. "Die Aufregung ist übertrieben", sagt er. Viele Gartenbesitzer hätten bereits die ähnlich gebaute, aber deutlich kleinere Amerikanische Kiefernwanze mit dem Laubholzbockkäfer verwechselt. Der Argwohn sei zwar lobenswert. "Bis jetzt hat der Käfer die Autobahn aber nicht überwunden", sagt Reitsberger. Er sei schließlich ein Fauler seiner Art - viel zu träge, um die A 99 zwischen Haar und Vaterstätten zu überqueren.

Sich darauf zu verlassen, davor warnt wiederum Pflanzenschutz-Experte Eberl. Der Käfer fliege immerhin bis zu hundert Meter weit, in Kanada habe er sogar eine Rekordstrecke von 400 Metern zurückgelegt. Jetzt sei zu überlegen, etwa Neupflanzungen jener Bäume zu verbieten, unter deren Rinde sich der Käfer am wohlsten fühlt. Demnach dürften vor allem auf Ahornbäume schwere Zeiten zukommen. Alles in der Hoffnung, dass der Laubholzbockkäfer in Vaterstetten ein Modell-Insekt unter einem Glasdeckel bleibt.

© SZ vom 27.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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