Landwirtschaft heute:Starke Pflanzen ohne Chemie

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Biobauer Johannes Wachinger aus Gelting kann sich über das Wetter heuer eigentlich nicht beklagen. Im Gespräch erklärt er, warum

Interview von Alexandra Leuthner

Der Mais gehört mittlerweile zum Landschaftsbild in Ebersberg - die Hitzewelle in diesem Sommer hat den Pflanzen aber teilweise ganz schön zugesetzt. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Nun gibt es also doch Hilfen vom Bund für die dürregeplagten Bauern - wenn auch nicht ganz so viel, wie sich die Landwirte gewünscht haben. Doch die Kritik kam prompt. Auf Wetterphänomene könne man nicht mit immer neuen Nothilfen reagieren, so der Vorwurf. "Wir brauchen eine Agrarpolitik, die unsere Landwirtschaft krisenfester macht", sagte der Fraktionschef der Grünen im Bundestag Anton Hofreiter. Die SZ wollte von Johannes Wachinger, Geltinger Landwirt im Biolandverband und Mitglied der "Interessensgemeinschaft gesunder Boden", wissen, ob die ökologische Landwirtschaft für den Klimawandel besser gewappnet ist als die herkömmliche.

SZ: Herr Wachinger, wie sieht es aus auf Ihren Feldern?

Johannes Wachinger: Eigentlich ganz gut. Die Erträge im Acker waren durchschnittlich, Grünland ist tendenziell besser als in anderen Jahren, weil wir teilweise richtig gute Niederschläge hatten. Aber der Rest des Landes ist brachial trocken. Wenn man die Bilder aus dem Weltraum gesehen hat - alles nur noch gelb und braun.

Erinnern Sie sich, schon mal so einen Sommer erlebt zu haben?

Vor 14 Jahren hat Johannes Wachinger den elterlichen Hof in Unterspann bei Gelting auf Bio umgestellt, seitdem heißt es Komposttee statt Chemiecocktail. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Nein, so noch nicht. Bei Youtube kann man unter "Maishäckseln 2018" sehen, dass seit Mitte Juli gehäckselt wurde. Was auf dem Feld steht, ist gar nicht schlecht, aber extrem früh dran. Ich hab ein paar Videos durchgeklickt, die jammern eher auf hohem Niveau, aber zum Teil steht auch so gut wie nichts.

Sie haben gar keinen Mais, oder?

Doch, seit drei Jahren wieder. Wir haben aber zehn Jahre lang seit der Bioumstellung keinen angebaut.

Ihr biologischer Mais geht aber nicht in die Biogasanlage, oder?

Nein, der geht an die eigenen Kühe.

Und wie machen Sie das ohne Düngemittel, Fungizide und Unkrautvernichter?

Mit Vorfrucht und Gülledüngung, mechanischer Bodenbearbeitung wie Striegeln und Hacken. Weil aber Hackgeräte auch im konventionellen Bereich jetzt mehr gefragt sind, gibt es Lieferengpässe. So ist das Gerät ein bisschen spät geliefert worden. Wir haben in diesem Jahr nicht so früh durchfahren können, wie wir wollten.

Und auf den Zeitpunkt kommt es in erster Linie an?

Es ist wichtig, trocken genug zu arbeiten. Wenn die Bedingungen bei der Aussaat passen, keimt nicht so viel Unkraut, und das, was man sät, hat eine unterdrückende Wirkung. Wir hatten schon picobello saubere Bestände bei null Unkrautbekämpfung.

Sie brauchen also kein Glyphosat?

Nein, das Glyphosat hält im Boden verschiedene Nährstoffe fest, Gelatisierung heißt der Vorgang. Das Getreide oder der Mais kann die Nährstoffe nicht mehr aufnehmen, selbst wenn sie im Boden sind, das haben Bodenproben gezeigt. Und gegen die Mangelerscheinungen im Getreide musst du wieder düngen, hast also mehr Aufwand.

Also schädigt Glyphosat nachhaltig den Boden?

Ja, aber nicht nach fünf oder zehn Jahren, es kommt später, und das sehen manche Bauern nicht so. Dabei muss das Ziel langfristig doch sein, den Boden fit zu machen.

Warum ist das so wichtig?

Weil die Pflanzen widerstandsfähiger werden. Das sieht man zum Beispiel an den großen Ackerlandbetrieben in Niederösterreich, die immer ein Problem mit der Trockenheit wegen des dortigen panonischen Klimas haben. Da haben mittlerweile die Biobauern höhere Erträge als die konventionellen. Das kippt jetzt ein bisschen.

Und woran liegt das?

Zum Teil, weil die Biobauern professioneller werden, und auch düngen, mit erlaubten Mitteln versteht sich, Komposttee zum Beispiel. Aber auch daran, dass Biopflanzen in der Regel eine bessere Wurzelentwicklung haben, weil zur Saat im Boden weniger Nährstoffe drin sind. Wenn es trocken wird, tun sich die leichter; mit mehr Wurzeln kommen sie besser ans Wasser. Bei der konventionellen Landwirtschaft ist am Anfang schon viel Dünger im Boden, dann wächst die Pflanze oberirdisch schnell und stark. Aber wehe, es wird trocken, dann sind die Pflanzen überfordert. Noch einen Vorteil hat der Ökolandbau bei großer Trockenheit: Wenn man weniger Ertrag hat, braucht man dafür auch weniger Wasser und dann kommt man so wie heuer auf einen gut wirtschaftlichen Ertrag.

Hat also die ökologische Landwirtschaft tatsächlich bessere Karten im Hinblick auf heißere Sommer?

Es ist nicht nur die ökologische, sondern die regenerative Landwirtschaft - was auch manche konventionelle Betriebe machen, die mit Komposttee und speziellen Zwischenfrüchten arbeiten und genau aufpassen, wenn sie Pflanzen in den Boden hinein arbeiten, dass die in einen Rotteprozess und nicht in einen Fäulnisprozess hinein kommen.

Was pflanzen Sie als Zwischenfrucht?

Speziell interessant ist eine wintergrüne Mischung, die ich jetzt für den Mais verwende. Da friert ein Teil im Winter ab, ein Großteil aber nicht und ist im Frühjahr auf den Feldern grün.

Was den Abtrag von Mutterboden hemmt, stimmt das?

Auch das. Speziell bei Mais und Soja, das spät gesät wird, hat man einen Verlust an Boden. Aber wenn man die grünen Pflanzen einarbeiten kann, profitieren wiederum die Pflanzen davon. Der Vorteil ist für viehhaltende Betriebe, dass man ab 1. Februar eigentlich keine Gülle mehr auf den Acker ausbringen darf. In diese Mischung aber darf man reinfahren, die grünen Pflanzen nehmen die Nährstoffe sofort auf und lassen sie nicht in den Boden sickern.

Also ein Boden, der nährstoffreich ist und gut Feuchtigkeit speichert, bietet besseren Schutz vor heißen Sommern als konventionell ausgelaugte Böden?

Konventionell ausgelaugt würde ich gar nicht sagen. Es gibt auch viele konventionelle Ackerbauern, die sich Gedanken machen. Und es gibt auch konventionelle Betriebe, die explizit auf integrierten Pflanzenbau setzen und so auf Fungizidmaßnahmen verzichten können.

Aber Unterschiede zur konventionellen Landwirtschaft gibt es doch trotzdem.

Natürlich. Wir zum Beispiel arbeiten seit vier Jahren mit der Kinsey-Methode. Da werden Bodenproben nach Amerika geschickt und umfangreich untersucht, du kriegst detaillierte Düngeempfehlungen. Es geht um das Nährstoffgleichgewicht im Boden. Das heißt, auf abgewirtschafteten Feldern werden genau die fehlenden Nährstoffe gedüngt, das gibt ein besseres Wachstum. Von einem Bauern aus Oberösterreich weiß ich, dass er mit dieser Art der Düngung im letzten Jahr bei der Wintergerste einen Ertrag gehabt hat von 14 Tonnen pro Hektar, ohne Fungizideinsatz. Wenn bei uns einer zehn Tonnen drischt, dann kann er richtig froh sein. Für den Ökobauern ist das natürlich auch interessant, gedüngt wird bei uns ja auch, etwa mit Komposttee.

Und was ist jetzt Komposttee?

Im Prinzip Wasser, erhitzt, mit Wurmkompost, einem bisschen Bohrdünger, Malzkeimen und Zuckerrohrmelasse versetzt. Die Bakterien, die im Kompost sind, werden dabei stark vermehrt und über einen Wirbel wird die Wirkung potenziert, das bringt definitiv bessere Wurzelentwicklung. Interessant ist, dass man bei Kompostteedüngung mit weniger Wasser auskommt. Aber es macht mehr Arbeit, und der Biobauer muss dann auch wieder mit der Spritze übers Feld fahren, das gefällt nicht jedem. Die Methode ist aber interessant in Jahren, in denen es sehr trocken ist.

Was bauen Sie außer Mais noch an?

Weizen, Grünland, Kleegras, andere Getreidearten, Ackerbohnen, Erbsen, auch mal Sommeremmer und Roggen, der braucht relativ wenig Wasser. Grundsätzlich sind wir mit der Fruchtfolge weiter aufgestellt als viele konventionelle Betriebe.

Bedeutet das nicht auch einen Haufen Mehrarbeit?

Nein, im Prinzip haben wir weniger Aufwand. Die konventionellen Bauern müssen ja auch mehr mit Dünger arbeiten.

Mischfruchtanbau ist aber etwas, was konventionelle Betriebe auch mehr und mehr machen?

Ja, aber im Ökolandbau ist das entscheidender. Um entsprechende Erträge zusammen zu bringen, ist es wichtig, dass die Früchte gesund auf dem Feld stehen. Ich passe zum Beispiel auf, dass ich zwischen Witterung und Sommerung abwechsle, dann ist es vom Unkraut her einfacher.

Es klingt aber schon so, als würden sich ökologische und konventionelle Landwirtschaft aufeinander zu bewegen.

Ja, ich seh das schon so. Weil die konventionelle Landwirtschaft in Jahren wie diesen zwar einen hohen Aufwand gehabt hat, aber keinen Ertrag. Die Industrie hat ihre chemischen Mittel verkauft, die macht ihren Umsatz, aber die Landwirte sind schon ein bisschen suchend. Das war für uns auch so vor der Umstellung. Entweder du gibst konventionell richtig Vollgas und holst eine gescheite Leistung heraus, oder du gehst einen anderen Weg. Wir sind 2003/2004 nach vielen Besuchen bei Ökolandwirten, so richtigen Freaks, auf diesen Weg gekommen. Das war für mich genau das Richtige.

Also werden durch die klimatischen Veränderungen die konventionellen Bauern offener für Ökolandbau?

Aber nicht unbedingt, weil sie von bio überzeugt sind, sondern weil sie sonst kein Geld mehr verdienen.

Das heißt, wer nicht umstellt , muss irgendwann Melonen anbauen, um sich dem veränderten Klima anzupassen?

Nein, es geht schon mit Getreidebau auch noch was.

Was ist denn mit alten Getreidesorten, könnten die weiterhelfen?

Alte Sorten haben oft geringere Erträge, speziell beim Roggen ist das so. Aber ganz egal, wie das Wetter ist, haben sie immer die gleichen Backqualitäten, im Gegensatz zu Hybridzüchtungen. Die Hofpfisterei zum Beispiel nimmt deshalb keine Hybridsorten, sie zahlt lieber die Aufschläge für den Anbau alter Sorten.

Und warum machen das dann nicht mehr Landwirte?

Weil man die alten Sorten kaum mehr herkriegt, die großen Hersteller haben da die Hand drauf. Ich hab mal gelesen, dass der Weizen lange so gezüchtet wurde, dass er möglichst viel Stickstoff braucht - also viel Gülle aufnehmen kann. Im Ökolandbau kannst du das nicht brauchen, weil du gar nicht so viel Gülle hinfahren darfst. Konventionell war das nie ein Problem, jetzt werden die Bauern aber eingebremst durch die Düngeverordnung und kriegen die Backqualität nicht mehr her. Da hätten die alten Sorten definitiv Potenzial.

Wie groß ist Ihr Betrieb?

60 Hektar plus 35 Hektar, die wir mit bewirtschaften. Außerdem haben wir 60 Kühe plus Nachzucht.

Ist das eine Fläche, mit der man sich gut halten kann?

Ja, würd' ich sagen, gerade durch die zusätzlichen Flächen sind unsere Maschinen gut ausgelastet. Für den Ökolandbau sind wir überdurchschnittlich groß.

© SZ vom 29.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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