Es gibt Abende, an denen man sich den Festsaal des Alten Speichers gerne ein paar Nummern kleiner wünschen würde. Am Donnerstag hätten etwa gut und gerne fünfmal so viele Gäste ihre Hüften schwingen können, wie die knapp hundert Tänzer, die sich zu den kubanischen Rhythmen der Band "Cuban Beats Allstars" vor der Bühne versammelt hatten. Der üppig proportionierte Saal des Alten Speichers sieht in solchen Momenten dann doch recht leer aus, die wenigen Tanzmuffel hinter ihren Weißbiergläsern wirkten so fast schon vereinsamt.
Die Tanzenden störte das jedoch herzlich wenig; viel Platz lässt schließlich auch viel Spielraum bei der Wahl des Parketts - wie ein junges Pärchen sogleich unter Beweis stellte: Leadsänger Hiram Riverí rappte gerade das fünfte oder sechste spanische Stück, als sich eine junge Frau im Flamenco-Kleid zusammen mit ihrem Hawaihemd-geschmückten Tanzpartner auf die Empore schlich. Wenn man dort auf den Stuhlreihen Platz nimmt, kann man das wilde Treiben auf der Tanzfläche aus einem gehörigen Sicherheitsabstand beobachten. Wer sich vor dem Tanzen drücken will, für den gibt es im Alten Speicher keinen besseren Ort als die Stühle der zweiten Etage.
Die Intention des Pärchens, das gerade die Treppe erklommen hatte, war freilich ein andere. Das hintere rechte Eck der Empore erschien ihm gerade recht, um dort einen kleinen Privattanz aufzuführen. Im Rücken der brav im Takt wippenden Sitzgesellschaft legten die beiden einen rasanten Tango aufs Parkett - einen, bei dem die Körperkonturen des Tanzpartners lückenlos abgetastet wurden. An diesem Abend gab es auch im zweiten Stock kaum ein Entrinnen vor dem Tanzeifer der Ebersberger, außer vielleicht die Tür mit dem Notausgangs-Schild in der hintersten Ecke, vor dem sich die beiden Tangotänzer noch bis spät in die Nacht in einsamer Zweisamkeit im Kreise drehten.