Konkrete versus Freie Malerei:Holz trifft Luft

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In dieser Ecke der Galerie in der Glonner Klosterschule kommen sich die Bilder von Margot Haringer und Bernd Sedlmeier besonders nahe. Er hat einen großen Wurzelstock auf Leinwand gebannt, ihr Bild wirkt wie eine bewusste Abstraktion dieses Motivs - ist es aber nicht. (Foto: Christian Endt)

Margot Haringer und Bernd Sedlmeier zeigen in der Glonner Klosterschule erstmals gemeinsam ihre Werke - eine Begegnung voller spannender, elementarer Kontraste

Von Anja Blum

Dass Margot Haringer und Bernd Sedlmeier ihre erste gemeinsame Ausstellung mit einen Gegensatz betiteln, trifft den Nagel auf den Kopf, denn unterschiedlicher könnten künstlerische Positionen kaum sein. Er folgt bei der Bildfindung allein der Ratio, sie ihrer Intuition. "Ich überlege immer erst, was macht Sinn?", erklärt er - "wenn ich das Denken anfange, ist es vorbei", sagt sie. "Konkrete versus Freie Malerei" lautet der Titel der Schau, die an diesem und am kommenden Wochenende in der Glonner Klosterschule, der wunderschönen Galerie des Kulturvereins, zu sehen ist.

Bernd Sedlmeier und Margot Haringer stammen beide aus dem Landkreis, er aus Zorneding, sie aus Grafing. Kennen und schätzen gelernt haben sie sich über den Ebersberger Kunstverein. "Wir haben schnell festgestellt, dass wir generell die gleichen Ansichten über Kunst haben - obwohl unsere Stile so verschieden sind", erzählt Sedlmeier. Und diesen Kontrast setzen die beiden nun so bewusst wie gekonnt ein: Das Ergebnis ist eine absolut sehenswerte, inspirierende Ausstellung voller überraschender Eindrücke. Staunend betrachtet man jene exakt richtige Mischung aus Reibung und Harmonie, dank derer im eigenen Kopf Neues zu entstehen vermag. Gegenständlich ist die Kunst Sedlmeiers: Er zeigt klassische Ölgemälde sowie Skulpturen, sein Thema sind Holz und Raum. Das Denken in drei Dimensionen ist dem Künstler sozusagen eingeboren, es schlägt sich naturgemäß nieder in den Objekten, aber auch in seiner Malerei. Seien es die dicht gestaffelten Stämme des Ebersberger Forstes, ein Stapel ordinärer Bretter oder massive Paletten: Stets stellt Sedlmeier das Holz so dar, dass es in seiner Geometrie weit in die Tiefe hineinreicht.

Als Vorlage dienen Sedlmeier Fotografien, die er anfertigt, wann immer sich ihm ein passendes Motiv bietet. Dabei denke er den Malprozess auch immer schon mit, erzählt er, das Foto enthalte also bereits die wesentlichen Informationen zur Bildkomposition. Bei naturalistischen Abbildungen aber belässt es der Zornedinger nicht, seine Gemälde erweitern die Realität sozusagen um eine vierte Dimension, die der Fantasie. Vor allem mittels Farbe setzt Sedlmeier sein Holz gekonnt in Szene: Das Skelett einer abgebrannten Scheune prangt auf leuchtend gelbem Hintergrund, in den braunen Wald haben sich blaue Äste eingeschlichen, ein Bretterstapel, glühend-rot, liegt nahe an grafischer Abstraktion.

Großes handwerkliches Können beweist Sedlmeier auch mit seinen Holzskulpturen, die er sowohl mit dem Stemmeisen als auch mit der Kettensäge bearbeitet. Darunter sind ganz konkrete Objekte wie eine Muschel, aber auch eher Geometrisches wie Spiralen oder eine Art gefaltetes Rohr, eine so anspruchs- wie humorvolle Arbeit. "Die Luft ist raus", hat der Künstler sie genannt. Hervor sticht auch "Das 20. Jahrhundert", ein Buch, dessen aufgeschlagenen Seiten etwa hundert Jahresringe zeigen. "Da habe ich mit meinem Dickschädel eigentlich gegen die Natur des Materials gearbeitet", gesteht Sedlmeier, es drohte breite Risse zu bekommen - doch das Kunststück gelang!

Diese handfeste, hölzerne Welt Sedlmeiers trifft in der Glonner Klosterschule nun auf die luftige Malerei Margot Haringers. Ätherische transzendente Gespinste erschafft sie, mit stark verdünntem Acryl, Lack, aber auch Sprayfarben. Nach Titel oder anderen assoziativen Steigbügeln sucht man hier vergeblich, Haringer arbeitet vollends abstrakt. Das Denken versucht sie auszuschalten beim Malen, sie lässt sich leiten vom puren Gefühl - mehr denn je. "Ich werde immer noch freier", sagt sie und strahlt übers ganze Gesicht. Die Grafingerin genießt es offenbar, die Regeln ihrer Kunst hinter sich zu lassen, sich nicht mehr um Perspektive und Co. zu scheren.

Das muss diese Künstlerin auch nicht, denn sie beherrscht das Spiel mit Wasser und Pigmenten meisterlich, zaubert innere Welten aus Flächen und Linien, aus Spritzern und Tropfen, mal zart hingehaucht, mal deutlich akzentuiert. Haringer experimentiert gerne, sie malt nicht nur mit dem Pinsel, sondern sprüht auch mal oder zeichnet direkt mit der Flasche, zu Beginn schüttet sie stets. Das, was der Zufall ihr so an die Hand gibt, entwickelt sie dann weiter, bis sich das Gefühl einstellt, etwas Stimmiges geschaffen zu haben. Dabei weiß Haringer auch zu verzichten, im rechten Moment aufzuhören, obwohl die Leinwand noch unbearbeitete Stellen aufweist. Weniger ist manchmal mehr, das gilt ja gerade auch in der Kunst.

Der Betrachter kann mit den Augen spazieren gehen in Haringers Welt, viele Schichten entdecken, die Kontraste zwischen pastellig-nebulösen Flächen, deutlichen Farbverläufen oder feinen Strichen auf sich wirken lassen. Ob er bei der Interpretation allein das Gefühl walten lässt oder den Verstand hinzunimmt - darin ist er völlig frei. So frei wie Margot Haringer an ihrer Staffelei.

Die gemeinsame Ausstellung "Konkrete versus Freie Malerei" von Bernd Sedlmeier und Margot Haringer ist in der Glonner Klosterschule zu sehen. Geöffnet ist diese samstags und sonntags, 11./12. sowie 18./19. Mai, jeweils von 14 bis 18 Uhr

© SZ vom 11.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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