Kommentar:Zu viel Zuspruch

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Dass sich Sylvia Boher bis Sonntagabend um eine Antwort auf die Forderung ihrer Parteispitzen drücken kann, zeigt ihren Einfluss

Von Karin Kampwerth

Wie sehr kann sich ein Mitglied einer Partei, die sich bislang zumindest in Bayern nicht nur Gott und der Welt, sondern auch der Kirche am nächsten wähnte, in eine Haltung verrennen, die weder kirchlichen Grundsätzen noch einem christlichen Menschenbild entspricht? In Zorneding fragen sich das viele - auch nach einem Gottesdienst, in dem der Generalvikar des Erzbischöflichen Ordinariats, Peter Beer, deutliche Worte zum Rücktritt von Pfarrer Olivier Ndjimbi-Tshiende fand, der nach Morddrohungen vorige Woche die Gemeinde verlassen hat. Eine Mitschuld der Kirche an der Eskalation stellte Beer durchaus in den Raum.

Sylvia Boher indes ringt seit Wochen darum, politische Konsequenzen aus den Ereignissen der vergangenen Monate zu ziehen, die sie mit einem hetzerischen Artikel gegen Flüchtlinge im vorigen Herbst im Zorneding Report ausgelöst hat. In der Folge bezeichnete Bohers damaliger Stellvertreter den Geistlichen als "Neger", die Affäre gipfelte nun in Morddrohungen und dem Weggang des Pfarrers.

Boher hat deshalb zwar den CSU-Ortsvorsitz abgegeben, aber beileibe nicht freiwillig, sondern nur nach langer Diskussion und auf Druck ihrer Parteispitzen im Kreisverband. Was sie nicht daran hinderte, mit ihren kruden Gedanken zu Flüchtlingen und Ausländern nachzulegen. Zuletzt im englischsprachigen Magazin Quartz Africa, dem sie sagte, dass "Neger" kein rassistisches Wort sei, diese nur lediglich die deutsche Sprache und Kultur nicht verstünden. Zuvor hatte sie sich despektierlich mit den Worten "Im Leben gibt es immer Ankünfte und Gehen" zum Rücktritt des Pfarrers geäußert. Die Geduld ihrer CSU-Bezirksvorsitzenden Ilse Aigner und Kreisvorsitzendem Thomas Huber hat sie damit überstrapaziert. "Zynisch" und "unsäglich" bezeichneten beide das am Donnerstag und legten Boher nahe, auch ihre Ämter als Schriftführerin im Kreisverband und Beisitzerin im Bezirksvorstand bis auf Weiteres ruhen zu lassen.

Die Forderung indes klingt halbgar - wohl auch deshalb, weil Boher offenbar klettenhaft an ihrem Einfluss innerhalb der CSU hängt. Das mag einerseits eine gewisse menschliche Tragik bergen, hat aber vor allem eine politische Dimension. Denn dass Boher die Chuzpe besitzt, sich bis Sonntag um eine Antwort auf Aigners und Hubers Forderung drücken zu können, zeigt, dass alle Beteiligten genau wissen, dass die radikalen Thesen der Zornedingerin nicht nur Kritiker, sondern eine ganze Reihe von Unterstützern finden. Das ist die eigentliche schlechte Nachricht für alle Zornedinger, die sich mit einer eindrucksvollen Lichterkette dagegen verwehrten, dass ihr Dorf ein Nazi-Dorf sein könnte.

© SZ vom 14.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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