Kommentar:Zu laut gebrüllt

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Die Grafinger CSU skandalisiert das Verwandtschaftsverhältnis der Bürgermeisterin mit dem Stadthallen-Gutachter. Dabei müsste sie es doch wirklich besser wissen

Von Thorsten Rienth

Die Ausgangslage, aus der die Grafinger CSU-Strategen die Kommunalwahlen 2020 gewinnen wollen, könnte eine leichtere sein. Einerseits müssen sie Angelika Obermayr (Grüne) ein inhaltliches Alternativkonzept entgegenstellen. Andererseits können sie sich nicht eines im Wahlkampf beliebten Mittels bedienen: der kritischen Fehlerreflexion. Weil im Grafinger Stadtrat keines der Lager über eine stabile Mehrheit verfügt, sind die großen Stadtratsentscheidungen immer auch große Kompromisse. Natürlich tragen die dann immer auch die Handschrift der größten Fraktion, in Grafing: die der CSU.

Eine leichte Übung wäre dagegen, daraus eine plausible Kommunikationslinie für den CSU-Wahlkampf spinnen. Seht her, liebe Grafinger, ließe sich postulieren: Der Stadt geht es nur deshalb so gut, weil wir so tatkräftig mitarbeiten. Und wenn ihr uns im März auf den Bürgermeister-Chefsessel wählt, geht alles noch besser, noch effektiver, noch zielführender. Sollten die CSU-Strategen eher auf die Amtsführung der Bürgermeisterin hinauswollen, hätten sie ebenfalls einen aktuellen Aufhänger. Dass die Nachricht einer neuerdings akut drohenden Stadthallen-Sperrung ein Jahr in der Verwaltung herumliegt - und nicht sofort auch an den Stadtrat geht - ist tatsächlich ein fragwürdiger Zustand.

Stattdessen fällte die CSU eine andere Entscheidung: Geschickt formuliert, aber im Tenor unmissverständlich, wähnte sie Vetternwirtschaft im Rathaus. Schließlich sei der aktuelle Stadthallen-Gutachter Klaus Beslmüller Bürgermeisterin Obermayrs Schwager. Den Fragenkatalog dazu schickte die CSU erst an die Fraktionsvorsitzenden im Stadtrat, dann an die Lokalredaktionen und verlinkte ihn schließlich auf Facebook. Belegter Zusammenhang hin oder her, die gewünschte Botschaft war damit breit gestreut.

Obermayr aber wehrt sich gegen eine "Skandalisierung meines Verwandtschaftsverhältnisses". Gegenüber der CSU macht sie deutlich: "Bei allen Vergabe-Entscheidungen von Großaufträgen an Architekten, bei denen auch das Büro Beslmüller beteiligt war, und die in meiner Amtszeit vergeben wurden, hat mich Ihr Fraktionskollege und Zweiter Bürgermeister Dr. Rothmoser vertreten." Freilich hätte die CSU dies mit wenig Aufwand auch bei sich selbst recherchieren können. Dass sie es nicht tat - und lieber zur Attacke blies - heißt für den Kommunalwahlkampf nichts Gutes.

© SZ vom 20.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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