Kommentar:Wirksame Medizin

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Die Notaufnahme der Kreisklinik bekommt ein System, an dem der Patient erkennen kann, wann er ungefährt drankommt, weil es hier nicht nach der Reihe, sondern nach der Dringlichkeit geht.

Von Anja Blum

Wer kennt diese Situation nicht? Der Körper schmerzt und man will einfach nur, dass das aufhört. Doch das Wartezimmer der Notaufnahme ist voll. Nur ab und an öffnet sich die geheimnisvolle Tür zu den Behandlungsräumen - hoffnungsvolle Momente. Danach aber wird die Enttäuschung jedes Mal wieder ein bisschen größer. Zu den Schmerzen kommt nämlich das Gefühl hinzu, Protagonist einer kafkaesken Erzählung zu sein: Eintritt verboten, doch warum nur? Also wartet man weiter, versucht der Rolle des Patienten - von lateinisch patiens, "geduldig, aushaltend' ertragend" - irgendwie gerecht zu werden. Das jedoch ist manchmal alles andere als leicht.

Die Notaufnahme der Ebersberger Kreisklinik leidet nämlich an chronischer Überlastung - nicht umsonst wurde ihr jüngst eine Bereitschaftspraxis zur Seite gestellt, die die weniger dringenden Fälle übernehmen soll. Die Ressourcen einer Notaufnahme sind naturgemäß endlich, die Patientenzahlen indes nicht kalkulierbar - Engpässe somit unvermeidlich. Insofern kann man die Entscheidung der Kreisklinik, nun in der Notaufnahme ein "Triage-System" samt großem Monitor zu installieren, nur als längst überfällig bezeichnen.

Triage bedeutet, medizinische Hilfeleistung zu priorisieren. Mit dem neuen System einher geht also, dass alle Patienten in der Notaufnahme gleich eine Ersteinschätzung bekommen sollen. Die Einteilung erfolgt meist in fünf Kategorien: Der Herzinfarkt bekommt die Farbe Rot für "sofort", am anderen Ende steht die Erkältung mit Blau für "weniger dringend". Mit diesen Farben arbeitet dann auch die Warteliste auf dem Monitor, so dass die Patienten jederzeit nachvollziehen können, ob Notfälle vorgezogen werden müssen oder nicht.

Wenn der Patient weiß, warum und wie lange er ungefähr warten muss, kann er die Situation mit Sicherheit leichter ertragen. Transparenz vertreibt zwar nicht die Schmerzen, doch das ungute Gefühl, Spielball rätselhafter, möglicherweise ungerecht waltender Kräfte zu sein. Es handelt sich hier also tatsächlich um eine höchst wirksame Medizin gegen Frust. Und für das Klinikpersonal, das bislang für die Kommunikation im Wartezimmer zuständig ist, bedeutet das neue System ebenfalls eine erhebliche Entlastung.

© SZ vom 14.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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