Kommentar:Wichtige Infrastruktur

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Niemand würde einen Ingenieur bitten, Autobahnen ehrenamtlich zu planen. Beim Carsharing hingegen gibt man sich bisher sehr sparsam

Von Wieland Bögel

Würde man einen Architekten bitten, doch mal ehrenamtlich einen neuen Bahnhof zu entwerfen, Mitarbeiter einer Baufirma, nach Feierabend unentgeltlich eine neue Straße zu bauen, oder einen Ingenieur in seinem Urlaub doch bitte ein Glasfasernetz zu planen und am besten gleich in Eigenleistung zu verlegen - man müsste sich zu Recht auslachen lassen. Denn auch wenn die fragliche Infrastruktur der Allgemeinheit zugute kommt, wer diese erstellt, plant oder betreibt will dafür entlohnt werden. Bei einem anderen Stück gemeinnützlicher Infrastruktur - dem so gerne als vorbildlich gelobten Carsharing - ist dies dagegen nicht der Fall.

Seit Jahrzehnten entstehen im Landkreis neue Autoteiler-Vereine. Die vorhandenen entwickeln sich gut, bauen ihre Angebote aus und finden auch genügend Mitfahrer. Die damit verbundene Arbeit wird bisher aber völlig von Ehrenamtlichen geleistet. Was, je größer und vernetzter die Angebote werden, allerdings immer schwieriger wird. Dass der Landkreis von kommendem Jahr an zumindest eine Teilzeitstelle zur Koordination und Abstimmung der einzelnen Angebote finanziert, ist daher dringend notwendig. Denn obwohl dies streng genommen eine freiwillige Leistung ist, wie es in einer Ausschusssitzung zum Thema auch schon von einigen Kreisräten moniert wurde, gibt es hier dennoch eine gewisse Verpflichtung des Landkreises. Zumindest, wenn man es ernst meint damit, den Verkehr anders zu organisieren.

Dass dies unumgänglich ist, lässt sich eigentlich nicht bestreiten, wer es dennoch tut, sollte einfach einmal zwischen sieben und neun Uhr etwa auf der Wasserburger Landstraße Richtung München fahren - oder eher kriechen. Oder versuchen, zu einer beliebigen Tageszeit in einer beliebigen Ansiedlung zwischen Anzing und Aßling einen Parkplatz zu finden oder auch nur versuchen, ein Auto durch eine der komplett zugeparkten Straßen zu manövrieren. Ein Zustand, der in den kommenden Jahren sicher nicht besser wird, eher im Gegenteil. Wenn pro Jahr knapp 1000 Leute zusätzlich in den Landkreis ziehen, die ähnlich gut motorisiert sind wie die schon hier Ansässigen, kommen jährlich 550 zusätzliche Autos auf die Straßen.

Will man diese Zahl verringern, müssen alle Optionen jenseits des klassischen Individualverkehrs gefördert werden, auch finanziell. Die nun im Raum stehende Summe von 7500 Euro für einen Carsharing-Koordinator dürfte dabei ohnehin noch eine der günstigeren Verkehrsmaßnahmen sein, aber ganz umsonst geht es eben auch nicht immer.

© SZ vom 22.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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