Kommentar:Wer überzeugt ist, soll überzeugen

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Die Vaterstettener Verwaltung versucht, einen Bürgerentscheid zur Umfahrung zu stoppen, bevor er überhaupt Fahrt aufgenommen hat. Ein anderer Weg wäre aber ehrlicher

Von Wieland Bögel

Die Bürger direkt über Projekte abstimmen zu lassen, birgt immer ein gewisses Risiko, das weiß man in Vaterstetten aus Erfahrung. 2005 erteilten die Vaterstettener den Plänen des damaligen Bürgermeisters Robert Niedergesäß für ein großes Neubaugebiet eine Absage. Eine Tragödie war dies indes weder für die Gemeinde noch für ihr damaliges Oberhaupt, den jetzigen Landrat. Der einige Jahre später resümierte, der Bürgerentscheid "hat der Politik gut getan". Schade eigentlich, dass diese Auffassung von Politik offenbar mit dem früheren Bürgermeister das Vaterstettener Rathaus verlassen hat. Zumindest kann man dies vermuten anhand der Art und Weise, wie sich die Verwaltung gegen einen möglichen Bürgerentscheid zur Umfahrung Weißenfeld positioniert.

Noch bevor klar ist, ob und wann die Umfahrungsgegner mit dem Sammeln von Unterschriften anfangen, geschweige denn, ob sie überhaupt genügend Unterzeichner zusammenbringen, macht die Verwaltung schon klar, dass man sich die Arbeit ruhig sparen kann, diese wäre nämlich ohnehin illegal. Was zumindest zum Zeitpunkt, als es verkündet wurde, nicht mehr als eine Vermutung war. Denn laut Gemeindeordnung gibt es eigentlich nur zwei K.-o.-Kriterien für Bürgerentscheide: Abstimmungen über den Etat und über die Bauleitplanung. Im Vaterstettener Rathaus hat man nun einen dritten gefunden, er lautet: Sonderbaulastvereinbarung. Eine solche hat die Gemeinde 2016 mit dem Landkreis abgeschlossen. Darin ist geregelt, dass die Umgehung, wenn sie einmal fertig ist, dem Landkreis als Kreisstraße übergeben wird. Damit aber, so die Argumentation der Vaterstettener Verwaltung, sei die Umfahrung erstens Kreisangelegenheit, und darüber könnten nur alle Landkreisbürger gemeinsam abstimmen, nicht die Vaterstettener alleine. Zweitens würde, fiele der Bürgerentscheid gegen die Umfahrung aus, die Gemeinde zur Nicht-Erfüllung eines Vertrages mit dem Landkreis gezwungen, weil man ja zugesagt habe, eine Kreisstraße zu übergeben. Zu bewerten, ob die Argumentation nach der Devise "leider nicht zuständig" wirklich aufgeht, dafür ist die Gemeinde allerdings wirklich nicht zuständig, das muss die Rechtsaufsicht tun. Dass diese die Zulässigkeit eines Bürgerentscheides prüft, ist grundsätzlich ein unspektakulärer Vorgang - nicht jedoch die "Vorleistung", welche die Gemeinde in diese Prüfung einbringt. Noch bevor die eigentlich Zuständigen eine Bewertung abgegeben haben, hat das die Verwaltung schon übernommen, und diese fällt eindeutig aus: Bürgerentscheid, nein danke.

Aber warum eigentlich nicht? Wenn die Gemeinderatsmehrheit so überzeugt ist davon, dass die Straße wirklich wichtig und nützlich ist - wofür durchaus einiges spricht, schließlich kann man nicht jahrelang Gewerbegebiete ausweisen, ohne eine vernünftige Erschließung sicherzustellen - und dass sie genau da verlaufen muss, wo man sie derzeit plant - woran einige ihre Zweifel haben - dann kann es doch nicht so schwer fallen, die Vaterstettener auch davon zu überzeugen. Ja, es wäre ein Risiko, aber eines, das sich lohnt. In jedem Fall wäre eine eindeutige Entscheidung aller Bürger für oder gegen das Projekt besser als eine Fortsetzung der nun schon drei Jahrzehnte währenden Debatte darüber.

© SZ vom 10.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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