Kommentar:Warten mit Weitsicht

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Ein Jahr nach Eröffnung der Grafinger Ostumfahrung zeigt sich, dass die Stadt gut daran getan hat, bei Straßen-Umbauten nicht auf Verkehrsprognosen zu vertrauen

Von Thorsten Rienth

Noch ist es nur eine Peilung über den Daumen. Aber wenn die Tendenz stimmt, dann ist die Nachricht allerhand: Eine Verkehrsentlastung von gut zwölf Prozent sollte die im vergangenen Jahr eröffnete - und nach wie vor umstrittene - Grafinger Ostumfahrung der Stadt bringen. Jetzt sollen es etwa 25 Prozent sein, also fast genau doppelt so viel. Man käme wohl in eine Größenordnung, bei der sich eine Umfahrung langsam zu lohnen beginnt.

Diese Zahl, die Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne) auf der Grafinger Bürgerversammlung nannte, ist keine Hochrechnung mehr. Sie basiert auf Verkehrszählungen. Sie ist also der Realitätstest der Prognosen. Stellt sich Obermayrs Bericht als belastbar heraus, wirft das ein neues Licht auf die Art und Weise, wie der Freistaat seine Umgehungsstraßen plant. Er verließe sich für seine Planfeststellungsbeschlüsse auf Prognosen, die sich neun Jahre später als ziemlich daneben herausstellen. Offenbar ist die Grafinger Ostumfahrung kein Einzelfall. "In anderen Gemeinden in Richtung Rosenheim ist es ähnlich", erklärte die Bürgermeisterin den Grafingern.

Die freistaatlich-fragwürdige Vorgehensweise bei den Planfeststellungsbeschlüssen müssen die Kommunen wohl ertragen. Wenn es allerdings auf die konkreten Auswirkungen der neuen Trassen auf die Verkehrsführungen innerhalb ihrer Ortschaften angeht, bestehen ganz offensichtlich Möglichkeiten zur Einflussnahme. Die haben das Grafinger Rathaus und der Stadtrat erfolgreich genutzt: Im Sinne ihrer Stadt haben sie im Landratsamt und beim Straßenbauamt lobbyiert, damit die - ebenfalls umstrittene - Ampel an der Einmündung der Rotter Straße in den Marktplatz doch lieber erst gebaut würde, wenn belastbare Zahlen vorlägen. Durch ihr weitsichtiges Handeln verhinderten sie, dass nach den Engerlohern gleich die nächsten Grafinger gegen die neue Straße fluchen. Nämlich die Lederergassen-Anwohner, die mit der einst kurz vor dem Bau stehenden Ampel spürbare Einschnitte bei der Erreichbarkeit ihrer Häuser und Geschäfte hätten hinnehmen müssen.

© SZ vom 22.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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