Kommentar:Vorgeschobene Argumente

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Von "intelligenter Integration" sprechen die Nachbarn, die gegen die Asylunterkunft sind. Tatsächlich meinen sie aber: Nicht vor unserer Haustür

Von Carolin Fries

Wenn man Angst hat und nicht mehr weiter weiß, dann reagiert man so: vorschnell und unüberlegt. Dann haut man Argumente raus, die vielleicht gar keine sind, um die eigene Haut zu retten. Vielleicht klappt's ja und die Gefahr zieht vorüber, woanders hin. In der kleinen Gemeinde Moosach erachten Nachbarn aktuell den geplanten Bau einer Unterkunft für 46 Asylbewerber als Gefahr. Binnen 48 Stunden haben die Bewohner ein Konzept entwickelt, das nur ein Ziel hat: den Bau zu verhindern.

Dass die Initiatoren dem zehnseitigen Papier den Titel "Intelligente Integration" gegeben haben, ist mehr als dreist. Sie fordern ihre Kommune auf, bestehende Wohnungen zur Unterbringung zu nutzen und halten diese Forderung für revolutionär. Dass das Landratsamt seit 2014 verzweifelt nach Wohnraum sucht und den Kommunen mit der Beschlagnahmung von gemeindlichen Liegenschaften drohen musste, ist im idyllischen Moosach offenbar nicht bei allen angekommen - oder hat nicht interessiert. Frei nach dem Motto: Die Idylle bitte nicht stören. Und wenn doch - dann nicht über Gebühr.

Also wird gerechnet: 24 müssen wir aufnehmen, acht haben wir schon, macht noch 16. Für die macht man die Tür kurz auf, die Tür zum Paradies: Denn nach einer Flucht quer durch Europa erachten es die Bewohner des Sackmann-Hauses als unangenehm, sich mit anderen sanitäre Anlagen und Küchen teilen zu müssen. Ehrlich? Tatsächlich sind derlei Aussagen schlicht Sarkasmus, wenn man bedenkt, dass im Landkreis inzwischen mehr als 1500 Asylbewerber leben und jede Woche weitere 61 Menschen vor dem Landratsamt ankommen, die abends ein Bett haben müssen. Wo waren hier die intelligenten Ideen der Bewohner des Sackmann-Hauses? Wo waren sie, als der Gemeinderat in Moosach gegrübelt und schließlich mit 150 Moosachern diskutiert hat?

Die berechtigten Wünsche der Flüchtlinge nach einem sicheren Platz, nach einem Rückzugsort, einer Küche und einem Badezimmer werden nun vorgeschoben, um die eigenen Interessen durchzusetzen. Da können die Initiatoren ihre Argumente drehen und wenden, wie sie wollen, und mit ihrem Geld wedeln. Sie wollen die Flüchtlinge nicht vor der Türe haben.

© SZ vom 23.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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